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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Beschluss (nicht rechtskräftig – siehe VGH 7/06) |
Datum: | 11.04.2006 |
Aktenzeichen: | VK 2/06 |
Rechtsgrundlage: | § 19 VwGG Art. 19 Abs. 4 GG Art. 137 WR i.V. mit Art. 140 GG |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Rechtsweg (unzulässig), Gemeindezentrum (Verkauf), Einstweilige Anordnung |
Die zweitinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VGH 7/06 aufrufen.
#Leitsatz:
Die Verhandlungen über den Verkauf eines Gemeindezentrums kann nicht von einzelnen Gemeindegliedern im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestoppt werden, da das VwGG den Rechtsweg hierfür nicht eröffnet.
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Presbyterien der KG 1 und der KG 2 erörterten im Jahre 2004 eine Vereinigung beider Gemeinden. Dazu wurde u. a. eine Steuerungsgruppe eingerichtet, ein gemeinsamer Presbytertag abgehalten und ein Bevollmächtigtenausschuss gebildet. Das Landeskirchenamt beschloss schließlich in seiner Sitzung am 22. März 2005 die Vereinigung der beiden Kirchengemeinden zur neu gebildeten KG 3 <= Antragsgegnerin> (Protokoll Nr. 12, TOP 2 der Sitzung). Ferner bestimmte das Landeskirchenamt in seiner Sitzung am 31. Mai 2005 (Protokoll Nr. 21, TOP 11 der Sitzung) nach Anhörung des Kreissynodalvorstandes, dass in der neu gebildeten Kirchengemeinde die Bevollmächtigten die Wahl der Presbyterinnen und Presbyter erst im Zuge des nächsten turnusmäßigen Wahlverfahrens vorbereiten und durchführen.
Im Protokoll der Sitzung der Steuerungsgruppe vom 07. September 2004 ist u. a. ausgeführt: Wir verwenden uns gemeinsam für die längstmögliche Beibehaltung der Standorte aller Gebäude und derer Funktionen. In dem Protokoll über einen gemeinsamen Presbytertag beider Kirchengemeinden am 02. Oktober 2004 ist u. a. festgehalten, dass sich die Anwesenden vorbehaltlich der noch fehlenden Beschlüsse der beiden Presbyterien nach offener und konstruktiver Aussprache geeinigt hätten, dass beide Presbyterien bzw. das künftige Presbyterium bei Gebäudefragen gemäß dem genannten Konsens in der Sitzung der Steuerungsgruppe am 07. September 2004 arbeiten und entscheiden würden.
Der Bevollmächtigtenausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 8. Dezember 2005 ausschließlich mit den neun Stimmen aus dem Bezirk der bisherigen KG 3, Verhandlungen wegen eines Verkauf des GH an die J. K. aufzunehmen. In der Gemeindebeiratssitzung vom 15. Februar 2006 teilte Pfarrer M. von der Antragsgegnerin mit, die Verkaufsverhandlungen würden fortgesetzt. Daraufhin haben die Antragsteller am 7. März 2006 beim erkennenden Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Untersagung weiterer Gespräche und Verhandlungen über den Verkauf des GH, … Straße , Ort ...., gestellt.
Die Antragsteller tragen vor:
Der Rechtsweg zum kirchlichen Verwaltungsgericht (Verwaltungskammer) sei für ihr Begehren eröffnet. Eine Zuständigkeit zum staatlichen Verwaltungsgericht sei weniger nahe liegend. Ob im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine Zuständigkeit zum Zivilgericht gegeben sei, könne dahinstehen. Eine Verneinung der Zuständigkeit der Verwaltungskammer könnte die Antragsteller möglicherweise rechtsschutzlos stellen. Eine Verweigerung von Rechtsschutz würde einen Verstoß gegen Art. 137 Absatz 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit Art. 140 des Grundgesetzes darstellen. Ausschlussgründe nach § 20 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VwGG) lägen nicht vor.
Die Antragsteller seien auch antragsbefugt. Sie machten sämtlich die Verletzung der Fusionsvereinbarungen und des Vertrauens in die Einhaltung dieser Vereinbarungen geltend. Sie seien in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand des GH verletzt.
In der Sache sei ihr Begehren begründet. Grundlage ihres Verhaltens während der Vereinbarungsverhandlungen sei die in den Protokollen festgehaltene längstmögliche Erhaltung des GH gewesen. Sie hätten als Presbyter bzw. ehemalige Presbyter anders gestimmt, wenn sie von dem beabsichtigten schnellen Verkauf gewusst hätten.
Da der Abschluss eines bindenden notariellen Vertrages über den Verkauf des GH jederzeit zu besorgen sei, sei eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung geboten.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss eines eventuellen Hauptsacheverfahrens zu untersagen, durch ihre Vertreter oder bevollmächtigte Dritte Gespräche und Verhandlungen über den Verkauf des GH, … Straße, Ort.... zu führen sowie begonnene Verhandlungen einschließlich vorbereitender innerkirchlicher Gespräche fortzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus:
Der Rechtsweg zur Verwaltungskammer nach § 19 VwGG sei nicht eröffnet. Auch aus der allgemeinen Rechtsweggarantie lasse sich keine Zulässigkeit vor der Verwaltungskammer herleiten. Sie, die Antragsgegnerin, bestreite ferner die Antragsbefugnis der Antragsteller. Eine mögliche Rechtsverletzung der Antragsteller in ihren Rechten sei nicht dargetan. Der Antrag sei jedenfalls nicht begründet. Selbst durch einen etwaigen Verkauf des GH werde nicht in Rechte der Antragsteller eingegriffen. Eine förmliche Fusionsvereinbarung gebe es nicht. Darüber hinaus erwüchsen aus Verhandlungsschritten zweier Kirchengemeinden keine Rechte für Personen, die in den entsprechenden Gremien beteiligt gewesen seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist der Rechtsweg zur Verwaltungskammer für ihr mit dem vorliegenden Verfahren verfolgtes Begehren nicht eröffnet.
Nach § 19 Abs. 1 VwGG ist das kirchliche Verwaltungsgericht – in der Evangelischen Kirche von Westfalen die Verwaltungskammer – zuständig für Entscheidungen von Streitigkeiten über Entscheidungen der Kirchenleitung (Landeskirchenrat, Kirchenausschuss, Rat der Landeskirche,Kirchenregierung,Moderamen der Gesamtsynode) und des Konsistoriums (Landeskirchenamt, Oberkirchenrat, Kirchenkanzlei, Kirchenverwaltung, Landeskirchenrat, Kirchenamt) aus dem Bereich der kirchlichen Aufsicht gegenüber Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Verbänden und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sind gesetzliche Aufsichtszuständigkeiten der Kirchenleitung oder des Konsistoriums auf andere kirchliche Leitungsorgane delegiert, gilt Satz 1 entsprechend für Streitigkeiten über Entscheidungen dieser Organe. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf das Begehren der Antragsteller nicht vor. Sie wenden sich nicht gegen die von dem Landeskirchenamt mit Beschlüssen vom 22. März 2005 und 31. Mai 2005 getroffenen Maßnahmen, nämlich der Vereinigung der KG1 und der KG2. zur neu gebildeten KG3, der Antragsgegnerin, an sich und auch nicht dagegen, dass das Landeskirchenamt nach Anhörung des Kreissynodalvorstandes beschlossen hat, dass in der neu gebildeten Kirchengemeinde die Bevollmächtigten die Wahl der Presbyterinnen und Presbyter erst im Zuge des nächsten turnusmäßigen Wahlverfahrens vorbereiten und durchführen. Weitere Maßnahmen hat das Landeskirchenamt nicht getroffen. Die Maßnahmen des Bevollmächtigtenausschusses, insbesondere der Beschluss vom 8. Dezember 2005, Verhandlungen wegen eines Verkaufs des GH an die X. aufzunehmen, können nicht nach § 19 VwGG von den Antragstellern zur Überprüfung durch die Verwaltungskammer gestellt werden, weil derartige Maßnahmen in § 19 VwGG weder ausdrücklich aufgeführt sind noch unter die dortigen im einzelnen genannten Streitigkeiten subsumiert werden können.
Nach § 19 Abs. 2 VwGG ist das Verwaltungsgericht (die Verwaltungskammer) ferner zuständig für die Entscheidung von Streitigkeiten aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen zur Kirche und von Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Dienstverhältnisses beziehen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ersichtlich in Bezug auf das Begehren der Antragsteller auch nicht vor.
Gemäß § 19 Abs. 3 VwGG ist das Verwaltungsgericht (die Verwaltungskammer) für die Entscheidung anderer Streitigkeiten aus dem Bereich der kirchlichen Ordnung und Verwaltung nur zuständig, soweit das kirchliche Recht dies bestimmt. Eine derartige Bestimmung ist, worauf die Antragsgegnerin bereits zutreffend hingewiesen hat, nicht ersichtlich. Auch die Antragsteller haben diesbezüglich nichts Näheres vorgetragen.
Für die Eröffnung des Rechtsweges zur Verwaltungskammer kann sich aus dem von den Antragstellern ferner noch erwähnten § 20 VwGG nichts ergeben, denn diese Vorschrift regelt Sachverhalte, die der Zuständigkeit der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade nicht unterliegen.
Eine Eröffnung des Rechtswegs zur Verwaltungskammer kann schließlich auch nicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen angenommen werden. Für die Verwaltungskammer als unabhängiges Kirchengericht gilt das sogenannte Enumerationsprinzip, d. h., dass die Verwaltungskammer – anders als die staatlichen Verwaltungsgerichte nach der sogenannten Generalklausel gemäß § 40 der Verwaltungsgerichtsordnung (Allzuständigkeit) – nur zur rechtlichen Prüfung zuständig ist, soweit ihre Anrufung ausdrücklich vorgeschrieben ist (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 25. Juni 1998 – VK 4/96). Die Zuständigkeit der Verwaltungskammer ist in § 19 VwGG abschließend geregelt (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 05. Juni 2002 – VK 5/01). Eine Zuständigkeit kann auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes angenommen werden. Unter öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ist nur die staatliche und vom Staat abgeleitete Gewalt zu verstehen (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 25. Juni 1998 – VK 1/97). Ebensowenig kann daher entgegen der Ansicht der Antragsteller aus Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit Art. 140 des Grundgesetzes die Eröffnung des Rechtswegs zur Verwaltungskammer hergeleitet werden.
Da bereits – wie dargestellt – der Rechtsweg zur Verwaltungskammer nicht eröffnet ist, ist dem erkennenden Gericht eine weitere Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit des Antragsbegehrens der Antragsteller verwehrt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 1 VwGG.