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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:25.06.1998
Aktenzeichen:VK 4/96
Rechtsgrundlage:VwGG §§ 19, 20
KO Art. 83 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 19 Abs. 4
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Rechtsweg, Presbyterium, Beschlussunfähigkeit
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Leitsatz:

  1. Für den Rechtsweg zur Verwaltungskammer gilt das Enumerationsprinzip.
  2. Die Feststellung eines Kreissynodalvorstandes über die Beschlussunfähigkeit eines Presbyteriums wegen ungenügender Mitgliederzahl kann nicht mit der Klage angefochten werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
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Tatbestand:

Als ehemaliger Presbyter des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde V. hat sich der Kläger zusammen mit sechs weiteren Presbytern gegen den von dem Superintendenten des Kirchenkreises … erlassenen Bescheid vom 6. Februar 1996 gewandt, in welchem der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises … gemäß Art. 83 der Kirchenordnung (KO) festgestellt hatte, dass das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde V. ab dem 17. März 1996 wegen ungenügender Mitgliederzahl beschlussunfähig geworden sei. Die von den damaligen Klägern erhobene Beschwerde hat die Beklagte durch einen näher begründeten Bescheid vom 21. März 1996 zurückgewiesen und gleichzeitig bestimmt, dass das Presbyterium nach Art. 83 Abs. 2 Satz 1 KO mit der Zurückweisung der Beschwerde aufgelöst sei und der Kreissynodalvorstand gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 KO Bevollmächtigte zu bestellen habe.
In der Folgezeit ist der Kläger im Gegensatz zu den sechs anderen, ehemaligen Presbytern bei seinem ursprünglichen Begehren mit der Begründung geblieben, dass unabhängig von der in Art. 83 Abs. 1 Satz 2 KO getroffenen Regelung, wonach das Landeskirchenamt über die Beschwerde gegen den Feststellungsbeschluss des Kreissynodalvorstandes endgültig entscheidet, eine „auf falschen Tatsachenfeststellungen beruhende Entscheidung des Kreissynodalvorstandes“ rechtlich überprüfbar sein müsse.
Nach der Zustimmung des Landeskirchenamtes zur Wahl des Presbyteriums außerhalb des Turnus, nach der Feststellung über die Einteilung der Kirchengemeinde in Wahlbezirke und nach den Gemeindeversammlungen ist die Wahl am 21. September 1997 erfolgt. Da keine Einwendungen erhoben wurden, sind die gewählten Presbyter am 30. November 1997 in ihr Amt eingeführt worden.
Während die Beklagte auf Grund der neuen Sachlage die Hauptsache des noch anhängig gebliebenen Verfahrens des Klägers für erledigt erklärt, begehrt der Kläger weiterhin eine Entscheidung in der Sache mit der Begründung, dass „die Angelegenheit wegen der fehlerhaften Vorgehensweise des KSV und LKA von grundsätzlicher Bedeutung“ sei „und Wiederholungsgefahr zu befürchten“ bestehe. Auch in der mündlichen Verhandlung hält der Kläger unter Darlegung seiner Gründe sein Begehren aufrecht.
Er beantragt festzustellen,
dass die Feststellung der Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums durch den Kreissynodalvorstand betreffend die Evangelische Kirchengemeinde V. vom 06.02.1996 in der Fassung der Beschwerdezurückweisung des Landeskirchenamtes vom 21. März 1996 rechtswidrig war.
Die Beklagte, die unter Wiederholung ihrer Ausführungen in dem Beschwerdebescheid vom 21. März 1996 dem Vorbringen des Klägers entgegentritt, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von den Beteiligten vorgelegten Schriftstücke Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage des Klägers ist unzulässig.
Die Unzulässigkeit seiner Klage folgt schon aus Art. 83 Abs. 1 Satz 2 KO. Danach entscheidet das Landeskirchenamt in Fällen, in denen ein Kreissynodalvorstand die Beschlussunfähigkeit eines Presbyteriums wegen ungenügender Mitgliederzahl festgestellt hat, über die Beschwerde endgültig.
Den von dem Kläger schon auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben vom 11. Juli 1996 vorgetragenen Einwand, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung verfassungswidrig und damit rechtswidrig sei, und den er auch noch in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen vorgetragen hat, vermag die Verwaltungskammer nicht zu teilen. Sie verbleibt bei der in Rechtslehre und Rechtsprechung, zumindest bisher einhellig vertretenen Ansicht, dass unter öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) nur staatliche und vom Staat abgeleitete Gewalt zu verstehen sei. Es genüge nicht, dass im soziologischen Sinn „öffentliche“ Macht ausgeübt werde. Kirchliche Gewalt sei also nicht schon wegen der faktischen Machtstellung der Kirchen und ihrer hohen Mitgliederzahl „öffentliche Gewalt“.
Vgl. Rüfner im „Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland“, 1. Auflage, Band 1, S. 761 und die in der Fußnote 7 angeführten Zitate.
Für die Verwaltungskammer als unabhängiges Kirchengericht gilt, wie sich weiterhin aus §§ 19 und 20 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) vom 16. Juni 1996, KABl. 1996 S. 309 ergibt, das sog. Enumerationsprinzip. D.h. mit anderen Worten, dass die Verwaltungskammer im Gegensatz zur sog. Generalklausel (Allzuständigkeit) der Verwaltungsgerichte im staatlichen Bereich nur zur rechtlichen Prüfung der Bescheide zuständig ist, für die ihre Anrufung ausdrücklich vorgeschrieben ist. So wurde z. B. für den Bereich der Kirchenordnung der Beklagten lediglich in den Fällen der Art. 6 Abs. 3 und Art. 86 Abs. 2 (Vermögensauseinandersetzungen), Art. 41 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 2 (Pflichtverletzung durch Presbyter oder Presbyterien) und in Art. 155 Abs. 2 und Art. 156 Abs. 2 (Rechtsverletzungen in besonderen Fällen) eine Anrufung der Verwaltungskammer vorgesehen.
Im Übrigen fehlt auch nach der erfolgten Presbyterwahl in der Evangelischen Kirchengemeinde V. am 21. September 1997 für das allein verbliebene Feststellungsbegehren das notwendige Rechtsschutzinteresse des Klägers für die von ihm behauptete Wiederholungsgefahr. Abgesehen davon, dass er dafür keine näheren Einzelheiten vorgebracht hat, aus denen dies angenommen werden könnte, sind aber auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine solche Annahme rechtfertigen. Der Kläger hat in seinen ausführlichen Darlegungen in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Gesichtspunkte dargetan. Insbesondere hat er keine Einzelheiten vorgebracht, aus denen geschlossen werden kann, wie er persönlich in seinen Rechten künftig betroffen sein könnte.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 66 Abs. 1 VwGG abzuweisen.