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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:06.03.1989
Aktenzeichen:VK 4/1988
Rechtsgrundlage:§§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 3, 51 PfDG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Beurlaubung, Einstweilige Anordnung
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Leitsatz:

Zur Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Anordnung auf Beurlaubung eines Pfarrers in einem Abberufungsverfahren.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,- DM festgesetzt.
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Tatbestand:

Der Kläger steht als Pfarrer im Dienste der Beklagten.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1983 wurde ihm die Pfarrstelle der Ev.-Luth. Kirchengemeinde B. (Kirchenkreis …) übertragen.
Auf Antrag des Presbyteriums dieser Gemeinde fasste die Kirchenleitung der Beklagten nach Anhörung des Klägers mit Zustimmung des Kreissynodalvorstandes am 25. November 1987 den Beschluss, den Kläger mit Wirkung vom 31. Mai 1988 aus dieser Pfarrstelle abzuberufen. Zur Begründung dieses – im Wesentlichen auf § 49 Abs. 1 Buchst. b) des Kirchengesetzes über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Union (Pfarrerdienstgesetz – PfDG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Mai 1981 (ABl. EKD 1981 S. 176; KABl. 1981 S. 201), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 10. Juni 1986 (ABl. EKD 1986 S. 359; KABl. 1987 S. 33), gestützten – Beschlusses führte die Kirchenleitung aus, dass ein Tatbestand vorliege, der dem Kläger die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der genannten Gemeinde unmöglich mache. Gegen diesen – mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen und ihm am 30. November 1987 ausgehändigten – Beschluss legte der Kläger unter dem 2. Dezember 1987 Widerspruch ein, den die Kirchenleitung durch Widerspruchsbescheid vom 18. März 1988 als unbegründet zurückwies.
Am 6. April 1988 hat der Kläger gegen die Abberufung Klage (VK 2/1988) erhoben.
Mit formlosem Schreiben vom 27. November 1987 teilte das Landeskirchenamt der Beklagten dem Kläger unter Hinweis auf § 51 Abs. 1 PfDG mit, dass es ihn im Anschluss an seine Abberufung mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften beurlaubt habe; zur Begründung nahm das Landeskirchenamt auf die Gründe der Abberufung Bezug und führte ergänzend aus, die sofortige Beurlaubung sei durch die „Gemeindesituation“ erforderlich. Gegen diese Anordnung legte der Kläger gleichfalls Widerspruch ein. Das Landeskirchenamt teilte ihm daraufhin durch Schreiben vom 23. Dezember 1987 mit, dass es einem Beschluss der Kirchenleitung zufolge bei der sofortigen Beurlaubung verbleiben müsse. Am 7. Juni 1988 hat der Kläger gegen die Beurlaubung die vorliegende Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 17. Mai 1988 teilte das Landeskirchenamt dem Kläger mit, dass es die sofortige Vollziehung der Beurlaubung anordne.
In dem auf Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren (VK 5/1988) und im vorliegenden Verfahren macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Beurlaubung sei offensichtlich rechtswidrig. Wie er bereits in den die Abberufung betreffenden Verfahren näher ausgeführt habe, könne keine Rede davon sein, dass ihm die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Gemeinde B. unmöglich gemacht worden sei; mithin sei es auch nicht gerechtfertigt, ihn mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben.
Ohnehin dürfe eine Beurlaubung nicht mehr ausgesprochen werden, wenn erst einmal die Abberufung selbst beschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landeskirchenamtes der Beklagten vom 27. November 1987 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie der Verfahren VK 3/1987, 3/1988 und 5/1988 sowie 2/1988 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung (§ 51 Abs. 1 PfDG) ist, wie die Kammer bereits in ihrem Urteil gleichen Rubrums vom 16. Mai 1988 (VK 3/1987) näher dargelegt hat (S. 4 f.), ein kirchenrechtlicher Verwaltungsakt, der im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen einer kirchengerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Insoweit unterliegt die Zulässigkeit der Klage keinen Zweifeln.
Fraglich ist allerdings, ob der Kläger – noch – ein schutzwürdiges Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) an der begehrten Entscheidung der Kammer hat, denn es könnten unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob die gegenüber dem Kläger ausgesprochene „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung noch rechtliche Wirkungen entfaltet, oder ob sie sich mit Ablauf des 31. Mai 1988 – mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abberufung – erledigt hat. Indessen bedarf es keiner Vertiefung dieser Frage. Die Sachurteilsvoraussetzung des Rechtschutzbedürfnisses zielt nur darauf ab zu verhindern, dass das Gericht für unnütze Zwecke in Anspruch genommen wird. Um die Frage beantworten zu können, ob die „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung des Klägers sich mit Ablauf des 31. Mai 1988 erledigt hat oder nicht, müsste die Kammer näher der Frage nach dem systematischen Verhältnis zwischen Abberufung und Beurlaubung nachgehen, was einen gewissen Aufwand verursachen würde. Eine eingehende Überprüfung des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses verbietet sich angesichts der dargelegten begrenzten prozessualen Funktion dieser Sachurteilsvoraussetzung indessen dann, wenn die Klage sich ohnehin jedenfalls als unbegründet erweist. So aber liegt der Fall hier.
2. Dass die Klage unbegründet ist, folgt daraus, dass die „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung des Klägers rechtmäßig ist.
Gemäß § 49 Abs. 1 PfDG kann ein Pfarrer im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn einer der in Buchst. a) bis d) dieser Vorschrift genannten Tatbestände erfüllt ist. Gemäß § 51 Abs. 1 PfDG kann das Landeskirchenamt durch einstweilige Anordnung den Pfarrer von seinen Dienstgeschäften beurlauben.
Wie die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren gleichen Rubrums VK 2/1988 entschieden hat, ist die Entscheidung der Kirchenleitung der Beklagten, den Kläger aus der Pfarrstelle der Gemeinde B. abzuberufen, nach der erstgenannten Vorschrift rechtens. Die Entscheidung des Landeskirchenamtes, den Kläger zu beurlauben, findet ihrerseits in § 51 Abs. 1 PfDG ihre Grundlage.
Wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss gleichen Rubrums vom 11. Oktober 1988 (VK 5/1988) ausgeführt hat, ist die Beurlaubung, die ganz im Gegensatz etwa zu einer vorläufigen Dienstenthebung (§ 91 der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen) ebenso wenig wie die Abberufung selbst disziplinarischen Charakter trägt, die einstweilige Maßnahme zu der – endgültigen – Maßnahme der Abberufung. Beide Maßnahmen stehen zueinander in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis; die Beurlaubung erhält – unbeschadet besonderer zusätzlicher Gesichtspunkte – ihr Gepräge und ihre Grundlage durch den Beschluss über die Abberufung selbst.
Vgl. Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union, 2. Senat, Beschluss vom 14. August 1981 – VGH 40/81 –.
Sie unterscheidet sich von jener insbesondere dadurch, dass sie einerseits nur die Wahrnehmung der mit dem in Rede stehenden Pfarramt verknüpften Dienstgeschäfte zum Gegenstand hat, andererseits aber ohne Einhaltung der Frist des § 50 Abs. 3 Satz 2 PfDG auch zu einem früheren Zeitpunkt, ja erforderlichenfalls sogar mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden kann.
In Anbetracht der Gründe, aus denen die Abberufung des Klägers rechtmäßig ist, ist auch die Entscheidung des Landeskirchenamtes, den Kläger von seinen Dienstgeschäften mit sofortiger Wirkung zu beurlauben, rechtmäßig. Liegt ein Tatbestand vor, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht, mithin nach § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG seine Abberufung rechtfertigt, so erlaubt dieser Tatbestand es in aller Regel, ihn bereits zu einem Zeitpunkt, der noch vor demjenigen des Eintritts der Wirkungen der Abberufung liegt, von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben, um auf diesem Wege schon vor jenem Zeitpunkt die Erfüllung der Aufgaben des Pfarrers in der betroffenen Gemeinde sicherzustellen. Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich im vorliegenden Falle ausnahmsweise anders verhalten haben könnte, sind weder nach dem Vorbringen des Klägers noch sonst ersichtlich. Ganz im Gegenteil ergibt sich gerade aus dem Vorbringen des Klägers, insbesondere aus seinen beiden an das Landeskirchenamt gerichteten Schreiben vom 31. Oktober 1987, dass die sofortige Beurlaubung des Klägers geboten war, um ihn an der weiteren Ausübung der mit dem in Rede stehenden Pfarramt verknüpften Dienstgeschäfte sofort hindern zu können. Der Kläger war nicht mehr imstande, die mit dem Pfarramt in der Gemeinde B. verbundenen Aufgaben, deren Erfüllung für diese Gemeinde insgesamt und auch für ihre einzelnen Gemeindeglieder von wesentlicher Bedeutung ist, wahrzunehmen. Die Erfüllung dieser Aufgaben musste sowohl im Interesse der Gemeinde als eines ganzen als auch ihrer einzelnen Glieder sofort und wirksam sichergestellt werden, der Aufgabenkreis des Pfarrers dieser Gemeinde einem Amtsbruder des Klägers übertragen wird, dessen Amtsführung durch die Umstände, die dem Kläger die gedeihliche Führung des Pfarramtes unmöglich gemacht hatten, voraussichtlich nicht oder doch jedenfalls nicht im gleichen Maße erschwert wurde. Dass die Ansicht des Klägers fehlgeht, aus § 51 Abs. 2 PfDG ergebe sich, dass eine Beurlaubung nur ausgesprochen werden dürfe, bevor die Kirchenleitung die Abberufung beschließe, hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss gleichen Rubrums vom 11. Oktober 1988 (VK 5/1988) ausgeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 Satz 1 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO; Gebühren und Auslagen werden für das Verfahren nicht erhoben (§ 29 Abs. 1 VwGG).