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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 28.02.1994 |
Aktenzeichen: | VK 3/1991 (VK 1/1993) |
Rechtsgrundlage: | VerbG §§ 5, 8 und 13 Verbandssatzung § 12 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Finanzzuweisung, Pauschalierung, Finanzausgleich |
Leitsatz:
Zur Zulässigkeit der Pauschalierung von Gemeindegliederzahlen von Verbandsgemeinden betr. die Finanzzuweisungen nach der Verbandssatzung.
Tenor:
Die Klage gegen die Evangelische Kirche von Westfalen wird als unzulässig abgewiesen.
Unter Zurückweisung des Hauptantrages werden die Vereinigten Kirchenkreise D. unter Aufhebung des Bescheides des Landeskirchenamtes vom 23. September 1992 verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Auffassung des Gerichtes zu bescheiden.
Für das gesamte Verfahren werden keine Gebühren und Auslagen erhoben. Die Kosten des Verfahrens gegen die Evangelische Kirche von Westfalen werden der Klägerin auferlegt. Im Übrigen trägt jede Beteiligte ihre Kosten selbst.
#Tatbestand:
Die Klägerin, die mit ihren Klagen die Zahlung von Finanzzuweisungen begehrt, ist Mitglied der Vereinigten Kirchenkreise D., die nach Zustimmung der beteiligten Kirchengemeinden D. und Beschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen durch Urkunde vom … errichtet, vom Regierungspräsidenten Arnsberg durch Verfügung vom … anerkannt worden ist und mit Wirkung vom … als Rechtsnachfolgerin an die Stelle des vorher bestandenen Gesamtverbandes Evangelischer Kirchengemeinden D. getreten ist. Verfassung, Aufgaben und deren Finanzierung regelt die Satzung, zuletzt geändert durch Beschluss der Verbandsvertretung vom 24. September 1982 (KABl. 1983 S. 35, 36). In § 12 sind die Grundsätze für das Finanzwesen aufgeführt. In dem für das anstehende Verfahren maßgebenden Absatz 2 in seiner jetzigen Fassung heißt es wörtlich:
„… | |
(2) Für den Bedarf der Verbandsgemeinden werden als Verteilungsmaßstäbe berücksichtigt: | |
| |
(3) …“ |
Nach dem Schreiben der Geschäftsführung der VK-DO vom 3. Juni 1982 hat die Verbandsvertretung am 24. Mai 1982 Folgendes beschlossen:
„Haushaltsausschuss und Vorstand der Vereinigten Kirchenkreise haben nach langen intensiven Beratungen der Verbandsvertretung folgende Vorschläge zur Änderung der Zuweisung an die Kirchengemeinden vorgelegt: | |||
Bei der Zuweisung an die Kirchengemeinden sollen ab 1983 folgende Kriterien berücksichtigt werden: | |||
1.1 | … | ||
1.2 | Die Zahl der Gemeindeglieder | ||
1.2.1 | Gemeindegliederzahl jeweils nach dem Stand per 1. April des vergangenen Jahres. | ||
1.2.2 | Liegt die Zahl der Gemeindeglieder im Durchschnitt unter 2.600 je Pfarrbezirk, erfolgt eine Aufrundung der Zahl der Gemeindeglieder auf volle 2.600 je Pfarrbezirk, höchstens jedoch um 20% der tatsächlichen Gemeindegliederzahlen.“ |
Zu diesem Schreiben hat die Klägerin Stellung genommen. Ihr Beschluss hat folgenden Wortlaut:
„Das Presbyterium nimmt die Vorschläge der Verbandsvertretung zur Änderung der Zuweisungen an die Gemeinden zur Kenntnis. Den Vorschlägen wird einschließlich der damit verbundenen Satzungsänderungen zugestimmt.“ |
Gegen die von der VK-DO auf der Grundlage der bisher geübten und von der Verbandsvertretung für jedes Jahr beschlossenen Ansatzregelung hinsichtlich der Zahl der Gemeindeglieder hat sich die Klägerin erstmals für das Jahr 1988 gewandt und gemäß dem einstimmigen Beschluss ihres Presbyteriums eine Änderung dahin beantragt, dass nach § 12 Abs. 2 Buchst. b) der Satzung von der tatsächlichen Mitgliederzahl ausgegangen werden müsse und nicht eine fiktive Zahl von 2.600 Gemeindegliedern je Pfarrstelle maßgebend sein dürfe. Die VK-DO hat dieses Begehren der Klägerin abgelehnt. Ihre Verbandsvertretung hat auch in den folgenden Jahren 1989, 1990 und 1991 die bisherige Regelung mit der alleinigen Änderung dahingehend angewendet, dass für das Jahr 1991 die Gemeindegliederzahl auf 2.395 festgesetzt wurde. Mit dem gleichen Begehren wie für das Jahr 1988 hat sich die Klägerin auch für die Jahre 1989, 1990 und 1991 an die Beklagten gewandt und um Prüfung gebeten, ob die von der VK-DO vertretene Praxis über die fiktive Zahl von Gemeindegliedern als Untergrenze rechtlich zulässig sei.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1991 hat die Klägerin gegen die VK-DO Klage erhoben und zu deren Begründung ausgeführt, dass der Begriff „Zahl der Gemeindeglieder“ nicht auslegungsfähig sei. Dieser Begriff stelle, wie es auch im Finanzausgleichsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen geschehe, auf die absolute Zahl der Gemeindeglieder ab. Eine pauschalierte Zahl der Gemeindeglieder entspreche nicht der satzungsrechtlichen Regelung. Die Klage sei deswegen notwendig gewesen, weil ihr trotz mehrfacher Aufforderung ein rechtsmittelfähiger Bescheid, wie er schon mit Schreiben vom 4. Juli 1990 erbeten worden sei, bisher nicht erteilt wurde. Nach ihrer allerdings auf einer lediglich vorläufig vorgenommenen Berechnung habe sie einen Anspruch auf eine nachträgliche Zuweisung von Geldern in Höhe von insgesamt 91.797,39 DM.
Während des Klageverfahrens gegen die VK-DO hat das Landeskirchenamt (LKA) durch Bescheid vom 23. September 1992 das Begehren der Klägerin abgelehnt. Dagegen hat die Klägerin auch gegen die Evangelische Kirche von Westfalen, vertreten durch die Kirchenleitung, Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt, | |
die Vereinigten Kirchenkreise D. unter Aufhebung des Bescheides des Landeskirchenamtes vom 23. September 1992 zu verurteilen, an sie (die Klägerin) für die Jahre 1988 bis 1991 Finanzzuweisungen in Höhe von 91.797,39 DM zu zahlen, | |
hilfsweise, | |
die Vereinigten Kirchenkreise D. unter Aufhebung des Bescheides des Landeskirchenamtes vom 23. September 1992 zu verpflichten, sie (die Klägerin) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes über die Zahlung von Finanzzuweisungen für die Jahre 1988 bis 1991 neu zu bescheiden. | |
Die Beklagten beantragen, | |
die Klage abzuweisen. |
Sie treten unter Wiederholung der Gründe des Bescheides des LKA vom 23. September 1992 den Ausführungen der Klägerin entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und der von den Beteiligten überreichten Unterlagen verwiesen.
#Entscheidungsgründe:
Während die Klage gegen die Evangelische Kirche von Westfalen abzuweisen ist, ist die Klage gegen die VK-DO nicht nur zulässig, sondern mit ihrem Hilfsantrag auch begründet.
I. | Die Klage der Klägerin gegen die Evangelische Kirche von Westfalen ist unzulässig. Bei dem vom LKA erlassenen Bescheid vom 22. September 1993 handelt es sich um die nach § 13 Abs. 1 S. 2 des Kirchengesetzes über die Verbände von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen in der Evangelischen Kirche von Westfalen (Verbandsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1978, KABl. 1978 S. 24, (VerbG), vorgeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage der Klägerin als Verbandsgemeinde gegen die VK-DO. Dort ist bestimmt, dass gegen die Entscheidung des LKA binnen eines Monats die Verwaltungskammer angerufen werden kann. Durch den mit Schreiben vom 23. September 1993 mitgeteilten Beschluss des Landeskirchenamtes vom 22. September 1993 ist der Mangel der Zulässigkeit des schon vorher bei der Verwaltungskammer anhängig gemachten Klageverfahrens der Klägerin gegen die VK-DO geheilt worden. | ||
II. | Die zulässige Klage der Klägerin gegen die VK-DO ist auch mit ihrem Hilfsantrag begründet. Hinsichtlich ihres Hauptantrages hat sie aber keinen Erfolg. | ||
1. | Dem Hauptantrag der Klägerin kann nicht stattgegeben werden. Zwar trägt die Klägerin in ihrer Klageschrift für die im vorliegenden Verfahren allein streitigen Jahre 1988 bis 1991 im Einzelnen vor, wie sich der von ihr genannte Gesamtbetrag von 91.797,39 DM zusammensetzt. Jedoch weist sie, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung erneut vorgetragen hat, dabei darauf hin, dass diese Forderung auf „einer vorläufigen Berechnung beruht, welche ggf. durch Vorlage aktuellen Datenmaterials der Verifizierung bedarf“. (S. 13 der Klagebegründung). Nach der eigenen Darstellung der Klägerin stehen unabhängig davon, was die Beklagten dazu meinen, die genannten Summen noch nicht fest. Eine Stattgabe der Klage mit dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag ist danach ausgeschlossen. Insoweit ist die Sache nicht spruchreif. | ||
Wenn auch über den im kirchengerichtlichen Verfahren nach der Verweisungsnorm des § 31 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974 S. 194, geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983, KABl. 1983 S. 214, (VwGG), anzuwendenden § 113 der staatlichen Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Gericht grundsätzlich verpflichtet ist, die Spruchreife einer Sache herbeizuführen, so ist es dazu weder verpflichtet noch berechtigt, wenn es damit in unangemessener Weise „die Funktion der zuständigen Verwaltungsbehörde ausüben müsste“. | |||
Eyermann/Fröhler, Kommentar zur VwGO, 9. Aufl., RdNr. 62a zu § 113 VwGO und die dort zitierte Rechtsprechung und Rechtslehre. | |||
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn über die Höhe der Finanzzuweisungen der VK-DO entscheidet nach § 12 Abs. 4 der Satzung „aufgrund der in den Absätzen 2 und 3 genannten Verteilungsmaßstäbe“ jährlich die Verbandsvertretung. | |||
2. | Der Hilfsantrag der Klägerin ist deshalb begründet, weil die Verbandsvertretung der VK-DO mit ihrem Beschluss vom 24. Mai 1982 über die Festsetzung der Höhe der Finanzzuweisungen mit der Zahl der Gemeindeglieder nach dem Kriterium 1.2.2 gegen die Satzungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Buchst. b) verstoßen hat. | ||
a) | Die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung über die Berücksichtigung der Zahl der Gemeindeglieder ist eine tatsächliche Größe, die durch den vorgenannten Beschluss der Verbandsvertretung geändert worden ist. Mit dem Beschluss der Verbandsvertretung vom 24. Mai 1982 sind nicht mehr die wirklichen Zahlen allein maßgebend. Vielmehr erfolgten in den Verbandsgemeinden, in denen die Zahl der Gemeindeglieder im Durchschnitt unter 2.600 bzw. 2.395 (1991) je Pfarrbezirk gelegen hat, eine Aufrundung der Zahl der Gemeindeglieder auf volle 2.600 bzw. 2.395 (1991) je Pfarrbezirk, höchstens jedoch um 20 v.H. der tatsächlichen Gemeindegliederzahlen. Dadurch wurden die Verbandsgemeinden, die größere Mitgliederzahlen je Pfarrbezirk hatten, zugunsten der Verbandsgemeinden benachteiligt, deren Zahl von Gemeindegliedern unter 2.600 bzw. 2.395 (1991) je Pfarrbezirk gefallen waren. Ihr Anteil an den zu vergebenden Finanzzuweisungen wurde durch diese fiktive Höherrechnung der Zahl der Gemeindeglieder in den Verbandsgemeinden, deren Mitgliederzahl unter den vorgenannten Messzahlen lag, geringer. Aus der Sicht der VK-DO gesehen, wurde ihre Mitgliederzahl durch die Aufrundung erhöht, was bei gleich bleibender Finanz- | ||
masse, die zu verteilen war, zwingend eine Minderung des auf ein Kirchenmitglied auszuwerfenden Betrages zur Folge hatte. | |||
b) | Eine derartige Änderung der satzungsgemäßen Regelung des § 12 Abs. 2 Buchst. b) hätte rechtmäßig aber nur in den Formen geschehen können, die nach dem Verbandsgesetz vorgesehen sind. Zwar ist es richtig, dass, wie das Landeskirchenamt in seinem Bescheid vom 23. September 1992 zutreffend ausführt, die Verbandsvertretung Satzungsgeber ist. Dabei kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verbandsvertretung in einem Verband zwei Funktionen zu erfüllen hat. Zum Einen ist sie nach § 8 Abs. 1 S. 1 VerbG das oberste Leitungsorgan eines Verbandes. Zum Anderen ist sie aber auch Satzungsgeber für Änderungen der Verbandssatzung, wie sich aus der Einzelbestimmung des § 8 Abs. 1 Buchst. g) VerbG ausdrücklich ergibt. Allerdings reicht für die Rechtmäßigkeit der Änderung einer Satzungsregelung die Beschlussfassung der Verbandsvertretung allein nicht aus. Vielmehr erfordern solche Beschlüsse aus Gründen des Minderheitenschutzes und zur Vermeidung von Zufälligkeits- und Überraschungsentscheidungen bei Fehlen von Verbandsmitgliedern nach § 5 Abs. 4 VerbG, dass bei solchen Beschlüssen zwei Drittel der Mitglieder der Verbandsvertretung anwesend sind und zwei Drittel ihrer anwesenden Mitglieder zustimmen. Darüber hinaus bedürfen solche Änderungsbeschlüsse der Genehmigung der Kirchenleitung nach Satz 2 dieser gesetzlichen Bestimmung und sind, wie es mit dem Änderungsbeschluss der Verbandsvertretung der VK-DO vom 24. September 1982 geschehen ist, gemäß § 5 Abs. 6 VerbG im Kirchlichen Amtsblatt zu veröffentlichen. | ||
c) | Da die Klägerin sich rechtzeitig gegen die ohne Rechtsmittelbelehrung erlassenen Festsetzungsentscheidungen der Verbandsvertretung der VK-DO innerhalb der ebenfalls über die Verweisungsnorm des § 31 VwGG geltenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO an die VK-DO gewandt und ab dem Jahre 1988 geltend gemacht hat, ist die Verwaltungskammer zur sachlichen Prüfung der von der Verbandsvertretung in den Jahren 1988 bis 1991 erlassenen Entscheidungen in der Lage gewesen. Wegen der Nichtbeachtung der für Satzungsänderungen maßgebenden Bestimmungen kommt sie im Gegensatz zur Ansicht des Landeskirchenamtes zu dem Ergebnis, dass die gegen die Klägerin für die Jahre 1988 bis 1991 ergangenen Festsetzungsentscheidungen fehlerhaft sind. | ||
3. | Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten hat die Auffassung der Verwaltungskammer nun nicht zur Folge, dass die VK-DO verpflichtet wären, eine völlige Rückabwicklung der Festsetzung der Finanzzuweisungen für die Jahre 1988 bis 1991 vorzunehmen. Vielmehr ergibt sich lediglich eine Neuberechnung der Finanzzuweisungen, die der Klägerin unter Nichtbeachtung der rechtswidrigen Regelung, wie sie nach Nr. 1.2.2 des Beschlusses der Verbandsvertretung vom 24. Mai 1982 getroffen worden ist, zusteht. Für die Jahre vor 1988 verbleibt es ebenso wie bei den Verbandsgemeinden, die sich nicht binnen Jahresfrist gegen die von der Verbandsvertretung der VK-DO getroffenen Festsetzungen gewandt haben, bei den insoweit rechtskräftigen Festsetzungen. Ob nach dem Vorbringen der Klägerin ihr zustehende Nachforderungen für die Jahre 1988 bis 1991 bei den VK-DO wie eine Mindereinnahme in Ansatz zu bringen oder aus möglichen Rücklagen zu zahlen sind, kann hier auf sich beruhen. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorstehenden kirchengerichtlichen Verwaltungsstreitverfahrens. | ||
III. | Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden. | ||
Für die Kostenentscheidung ist zunächst § 29 Abs. 1 VwGG maßgebend. Danach werden für das Verfahren vor der Verwaltungskammer Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die darüber hinausgehenden Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 1 VwGO, die über die Verweisungsnorm des § 31 VwGG hinsichtlich weiterer Kosten anzuwenden sind. | |||
IV. | Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 des VerbG ein Rechtsmittel nicht gegeben. |