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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:10.04.1978
Aktenzeichen:VK 3/1977
Rechtsgrundlage:§§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2, 54 Abs. 1, 57, 64 PfDG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Kirchenaustritt, Wartestand
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Leitsatz:

  1. Der Kirchenaustrittsversuch rechtfertigt die Abberufung aus einer Pfarrstelle.
  2. Eine Wartestandsversetzung ist bei einem Kirchenaustrittsversuch rechtlich nicht zu beanstanden.

Tenor:

Unter Abweisung des Antrages im Übrigen wird auf den Hilfsantrag des Antragstellers festgestellt, dass der angefochtene Beschluss der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1977 insoweit rechtswidrig gewesen ist, als in ihm die Rechtswirksamkeit der Abberufung des Antragstellers frühestens zum 25. Februar 1978 nach § 50 Abs. 3 PfDG nicht angeführt worden ist.
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Tatbestand:

Der am … 1919 in H. (Schlesien) geborene Antragsteller leistete nach bestandenem Abitur und Arbeitsdienst ab … 1938 Wehr- und anschließend Kriegsdienst. Als Unteroffizier bei der Artillerie nahm er an den Feldzügen in Polen, Frankreich und Russland teil. Noch während des Krieges studierte er 7 Semester Medizin in Breslau und Halle und wurde danach als Sanitäts-Unteroffizier eingesetzt. Nach seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft am 24. August 1945 studierte er ab dem Wintersemester 1945/46 in Kiel, Jena und Göttingen Theologie. Im April 1950 legte er die I. Theologische Prüfung in H. und nach dem zweijährigen Besuch des Predigerseminars der Ev.-Luth. Landeskirche H. in E. im März 1952 die II. Theologische Prüfung, ebenfalls in H. ab. Nach vorübergehendem Hilfsdienst in D. und C. war der Antragsteller von Oktober 1953 bis Juni 1960 als Pfarrer an der Stadtkirche zu C. und anschließend unter gleichzeitiger Beurlaubung für acht Jahre hauptamtlich als Militärpfarrer mit dem Sitz in H. tätig. Nach seiner Wahl zum Pfarrer der Ev. …-Kirchengemeinde L. (1. Pfarrstelle) wurde er auf seinen Antrag zum 1. Februar 1969 aus dem Dienst der Ev.-Luth. Landeskirche H. entlassen. Am selben Tag ist er in die Rechte und Einkünfte der genannten Pfarrstelle in L. eingetreten.
Der Antragsteller ist seit dem … 1947 mit der Lehrerin I. K. verheiratet. Aus der Ehe sind 3 Kinder, und zwar der 1949 geborene Sohn E. und die 1953 und 1955 geborenen Töchter E. und D. hervorgegangen.
Zwischen dem Antragsteller und Pfarrer E. einerseits und der Mehrheit des Presbyteriums der Evangelischen …-Kirchengemeinde L. bestanden seit längerer Zeit Spannungen und Auseinandersetzungen, in deren Verlauf nicht nur verschiedene Schreiben verfasst wurden, sondern vonseiten des Antragstellers wiederholt, wenn auch vergeblich, bei der Antragsgegnerin beantragt worden war, ein Verfahren gegen das Presbyterium mit dem Ziel seiner Auflösung einzuleiten. Der Antragsteller, der wegen der nach seiner Ansicht unerträglichen Situation im Mai 1977 fernmündlich auf Entscheidung gedrängt hatte, erklärte am 8. Juni 1977 vor dem Amtsgericht L. seinen Austritt aus der Evangelischen Kirche. Die anschließenden Bemühungen des Superintendenten des Kirchenkreises L., dass der Antragsteller diese Erklärung unter Verkennung der inzwischen vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Entscheidung vom 8. Februar 1977 über die Verfassungswidrigkeit der so genannten Überlegungsfrist im Preußischen Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 irrtümlich abgegeben habe, hatten Erfolg. Der Antragsteller teilte dies dem Amtsgericht in entsprechender Weise mit.
Die Antragsgegnerin, die den Antragsteller durch einstweilige Anordnung mit sofortiger Wirkung beurlaubte, teilte diesem durch Bescheid vom 23. Juni 1977 mit, dass am 14. Juni 1977 die Einleitung des Abberufungsverfahrens beschlossen worden sei. Nach der Anhörung des Antragstellers und der Einholung der Zustimmungen des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises L. vom 10. August 1977 und des Presbyteriums der Ev. …-Kirchengemeinde L. vom 23. August 1977 hat die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 25. August 1977 die Abberufung des Antragstellers und seine Versetzung in den Wartestand beschlossen.
Gegen den ihm am 1. September 1977 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 26. September 1977 Widerspruch eingelegt. Darin führt er unter ausdrücklichem Hinweis auf seine bisherigen Eingaben und auch die seines Kollegen E., das Presbyterium aufzulösen, aus, dass die Voraussetzungen für seine Abberufung nicht vorliegen würden. Auch sei er nicht hinreichend gehört worden. Im Übrigen sei die Vorschrift des § 49 Abs. 1 b) des Pfarrerdienstgesetzes vom 11. November 1960, KABl. 1962, 26 (PfDG), in verfassungswidriger Weise Gesetz geworden; denn sie habe niemals den Presbyterien zur Stellungnahme und Beratung vorgelegen. Auch seien in seinem Falle der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der Angemessenheit nicht hinreichend gewahrt worden, wenn die mit Schriftsatz vom 15. Juni 1977 gestellten Anträge auf Aufhebung einer Anzahl von Beschlüssen des Presbyteriums zurückgewiesen und zugleich die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 82 der Kirchenordnung (KO) gegen das Presbyterium abgelehnt worden seien. Mit diesem Verhalten habe die Antragsgegnerin selbst zu erkennen gegeben, nicht in der Lage zu sein, das in der Tat zerrüttete Verhältnis zwischen dem Presbyterium einerseits und den bei den Pfarrern, und zwar Herrn E. und ihm (dem Antragsteller) andererseits in angemessener Weise zu lösen. In diesem Zusammenhang habe die Antragsgegnerin nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich etwa 500 Gemeindeglieder in einer Unterschriftenaktion hinter die beiden Pfarrer gestellt haben. Ebenso zeige der Verlauf einer Versammlung das geringe Verständnis in der Gemeinde für die Rolle, die das Presbyterium gespielt habe. Die Anwendung des § 49 Abs. 1 b) PfDG als bloßes Zerrüttungsprinzip würde damit zum Offenbarungseid auch des theologischen Gehalts der Kirche, einer Kirche, die aus kirchenpolitischen Gründen nicht mehr wage, die Schuldfrage zu stellen, die die Wahrheit verleugne und die Schuld verdränge. Die Antragsgegnerin müsse sich demnach die Frage stellen lassen, ob es in ihrem Auftrag liege, sich ungeachtet von Ursachen und Schuld an einem Verdrängungsprozess zu beteiligen, in dem sie die Wahrheit möglicherweise unter den Teppich des Presbyteriums kehre. Die Austrittserklärung am 8. Juni 1977 könne nur im Zusammenhang mit den vorausgegangenen Vorfällen, die zu einer Zuspitzung geführt hätten, zutreffend gewürdigt werden. Infolge der Rücknahme dieser Erklärung habe es sich lediglich um einen Austrittsversuch gehandelt. Dieser rechtfertige nach allem nicht die von der Antragsgegnerin angeordneten Maßnahmen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1977 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Austrittserklärung eines Pfarrers aus der Kirche, um damit zu demonstrieren, ein schwerwiegender Verstoß gegen die durch die Ordination übernommenen Pflichten sei. Dadurch stehe fest, dass der Antragsteller sein Amt nicht mehr gedeihlich führen könne.
Mit dem am 21. November 1977 form- und fristgerecht bei der Verwaltungskammer eingegangenen Antrag führt der Antragsteller zur Begründung seines Begehrens unter Bezugnahme auf die Gründe seines Widerspruchsschreibens ergänzend aus: sein Verfahren könne nur zusammen mit dem des Pfarrers E. hinsichtlich der in der Evangelischen …-Kirchengemeinde L. bestandenen Verhältnisses zutreffend gesehen und gewürdigt worden. Insbesondere seien Pfarrer E. und auch er in der Auseinandersetzung mit dem Presbyterium ohne den notwendigen Schutz und die rechte Fürsorge von der Antragsgegnerin und ihren Vertretern geblieben. Er räume zwar ein, dass auch von seiner Seite temperamentsbedingte Fehler gemacht worden seien. Jedoch habe wegen seines lediglich als Austrittsversuch zu wertenden Schrittes nicht die schwerste Maßnahme gegen ihn ergriffen zu werden brauchen. Die Versetzung in den Wartestand habe für ihn nahezu die Wirkung eines gänzlichen Ausschlusses von der Berufsausübung. In verschiedenen Pfarrstellen habe er als Pfarrer 30 Jahre lang eine gedeihliche Arbeit geleistet. Schließlich habe die Antragsgegnerin auch den Gleichheitssatz verletzt. Was einem Professor K. ohne irgendwelche Nachteile zugestanden werde, müsse auch für ihn gelten.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 und deren Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1977 aufzuheben,
hilfsweise
den Beschluss der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 und deren Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1977 dahingehend abzuändern, dass die Abberufung des Antragstellers gemäß § 50 Abs. 3 PfDG erst zum 25. Februar 1978 wirksam werde,
hilfsweise
festzustellen, dass der Verwaltungsakt insoweit rechtswidrig gewesen ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge des Antragstellers in vollem Umfange zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus: die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Auf die Rechtsfolge der Austrittserklärung nach staatlichem Recht komme es nicht an. Vielmehr werde allein auf die in der Erklärung selber zum Ausdruck kommende Grundhaltung des Antragstellers zu dem in der Evangelischen Kirche von Westfalen übertragenen Pfarramt abgestellt werden müssen. Eine Verbindung der angegriffenen Entscheidungen mit den Ermittlungen zur Frage, ob die Auflösung des Presbyteriums der Ev. …-Kirchengemeinde L. zu beantragen sei oder zur Frage, ob einzelne Beschlüsse des Presbyteriums dieser Kirchengemeinde aufzuheben seien, verbiete sich vom Inhalt der unterschiedlichen Verfahren her. Wenn den Antragsteller allein die im Presbyterium der Ev. …-Kirchengemeinde L. herrschende Unordnung in menschlicher und rechtlicher Hinsicht zur Austrittserklärung veranlasst hätten, so komme es darauf nicht an. Die Kirchenaustrittserklärung behalte in sich als tragender Grund der angefochtenen Entscheidungen ihre selbstständige Bedeutung. Mit der Abberufung und der Wartestandsversetzung habe sie auch nicht unangemessen reagiert und damit nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der von der Antragsgegnerin überreichten Personalakten und Verwaltungsvorgänge (insgesamt 3 Hefte) verwiesen.
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Entscheidungsgründe:

Der von dem Antragsteller form- und fristgerecht gestellte Antrag ist nach Art. 152 KO in der Fassung des 9. Kirchengesetzes zur Änderung der KO vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974, S. 193 i.V.m. §§ 2, 10 der kirchlichen Verwaltungsgerichtsordnung, KABl. 1974, S. 194 (KiVwGO), zulässig. Sachlich ist er im Wesentlichen nicht begründet, weil die von der Antragsgegnerin getroffene und vom Antragsteller angefochtene Entscheidung sowohl hinsichtlich seiner Abberufung als auch seiner Wartestandsversetzung nicht zu beanstanden ist.
I. Bezüglich des tatsächlichen Geschehens und seiner rechtlichen Würdigung vermochte die Verwaltungskammer als das für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin erlassenen Entscheidungen vom 25. August 1977 und 19. Oktober 1977 nach Art. 152 Abs. 2 KO i.V.m. § 2 Abs. 2 KiVwGO allein zuständige Kirchengericht
– vgl. insoweit u.a. Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 9. Februar 1978 – VIII A 169/75 – und Rüfner im Handbuch des Staatskirchenrechtes I, Berlin 1974, S. 780, mit weiteren Nachweisen –
der Auffassung des Antragstellers nicht zu folgen, dass es sich bei der von ihm abgegebenen Kirchenaustrittserklärung lediglich um einen Austrittsversuch gehandelt hat. Davon könnte nur die Rede sein, wenn der Antragsteller nicht schon alles getan hätte, was zur Wirksamkeit des Austritts von seiner Seite hätte geschehen müssen. Dies ist aber weder vom Antragsteller anders dargestellt worden noch ergeben sich aus den überreichten Personalakten irgendwelche Anhaltspunkte für einen anderen Geschehensablauf. Wenn die Antragsgegnerin gleichwohl diese Erklärung nicht als einen schon vollzogenen Austritt mit der sich daraus nach § 64 PfDG ergebenden Folge wertete, so trug sie dem Irrtum in vollem Maße Rechnung, in dem sich der Antragsteller am 8. Juni 1977 hinsichtlich der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Februar 1977 nicht mehr geltenden so genannten Überlegungsfrist in dem Preußischen Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 30. November 1920, GS 1921 S. 119, das im Bereich der Antragsgegnerin gilt,
– vgl. von Campenhausen im Handbuch des Staatskirchenrechts I, Berlin 1974, S. 660, Fußnote 7 –
befunden hatte. Mit dem Austritt aus der Kirche scheidet ein Pfarrer aus dem Dienst der Kirche aus und verliert, wie sich aus § 64 Abs. 3 PfDG ergibt, nicht nur seine Pfarrstelle, sondern auch die in der Ordination begründeten Rechte sowie den Anspruch auf Besoldung und Versorgung.
Unter diesen Umständen hätte es weder einer Abberufung noch einer Wartestandsversetzung bedurft. Nach allem kann nicht nur von einem Austrittsversuch des Antragstellers gesprochen werden. Vielmehr hat die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der ihr dem Antragsteller gegenüber obliegenden Schutz- und Fürsorgepflicht ihn aufgrund der von ihm beim Amtsgericht L. einige Tage später abgegebenen Erklärung zu Recht so behandelt, als ob die vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehende Regelung mit der so genannten Überlegungsfrist noch gelten würde.
II. Die in den angefochtenen Entscheidungen der Antragsgegnerin ausgesprochene Abberufung des Antragstellers ist nicht zu beanstanden. Die dafür maßgebende Rechtsgrundlage ist § 49 Abs. 1 b) PfDG. Diese Bestimmung lautet:
„(1) Ein Pfarrer kann im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn
b) ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes, in seiner Gemeinde unmöglich macht,
…“
1. Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Antragstellers auch gültig. Er hat nicht näher dargetan, aus welchen Gründen sie in verfassungswidriger Weise Gesetz geworden sein soll. Er hat weder eine Vorschrift genannt, noch ist eine solche ersichtlich, aus der sich ergibt, dass die Bestimmung des § 49 Abs. 1 b) PfDG zwingend Presbyterien vor ihrer Verabschiedung durch die dafür allein zuständige Landessynode zur Stellungnahme und Beratung hätte vorgelegt werden müssen.
2. Der Kläger ist auch vor dem Erlass des Abberufungsbeschlusses nach § 50 Abs. 2 S. 1 PfDG ordnungsgemäß gehört worden, wie die Sitzungsniederschrift vom 8. August 1977 über die Erörterung der gesamten Angelegenheit im Landeskirchenamt Bielefeld und das dabei vom Antragsteller überreichte schriftliche Konzept von fast 4 Seiten hinreichend zeigen. Ebenso sind auch die Zustimmungen des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises L. nach § 50 Abs. 2 S. 2 PfDG und des Presbyteriums der Evangelischen …-Kirchengemeinde L. vorher eingeholt worden.
3. In nicht zu beanstandender Weise hat die Antragsgegnerin auch den Tatbestand des § 49 Abs. 1 b) PfDG als erfüllt angesehen.
Zwar folgt aus der Verwendung des Wortes „kann“, dass die Entscheidung darüber, ob die Antragsgegnerin einen Pfarrer abberufen will, im Ermessen der Kirchenleitung als der für die Antragsgegnerin nach § 50 Abs. 1 S. 1 PfDG zuständigen Behörde steht. Eine Ermessensentscheidung ist in der Regel anzunehmen, wenn nach der ausdrücklichen Gesetzesformulierung – und darauf weist das Wort „kann“ hin – die Verwaltung zur Regelung eines bestimmten Sachverhalts die Wahl zwischen mehreren verschiedenen Entscheidungen hat.
Vgl. Eyermann-Fröhler, VwGO, 7. Aufl., RdNr. 7 und Redeker – von Oertzen, VwGO, 5. Aufl. RdNr. 5, 6 zu § 114 VwGO, mit jeweils weiteren Nachweisen.
Jedoch bezieht sich dies nicht darauf, ob die Voraussetzungen der Tatbestandsseite der maßgebenden Gesetzesnorm vorliegen.
Vgl. Eyermann – Fröhler und Redeker – von Oertzen, wie vor.
Deshalb unterliegt der in der hier maßgebenden Regelung des § 49 Abs. 1 b) PfDG enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff, ob „ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht“, der vollen Nachprüfung durch das Kirchengericht, da der Subsumtionsvorgang nur ein rechtlich richtiges Ergebnis haben kann und somit insoweit ein Wahlrecht nicht besteht.
Gegen die von der Antragsgegnerin in den angefochtenen Entscheidungen angeführten Gründe, auf die im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat der Antragsteller keine durchgreifenden Einwände vorgebracht. Selbst wenn von seiner Darstellung über den nach seiner Ansicht unerträglichen Zustand in der Evangelischen …-Kirchengemeinde L. ausgegangen wird und ihm darüber hinaus nicht der zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Amtspflichten erforderliche Schutz und die Fürsorge durch die Antragsgegnerin und ihre Vertreter in Form von Rat und notwendiger Wegweisung schon länger nicht mehr gewährt worden sein sollten, so rechtfertigt dies alles nicht den von ihm gewählten Schritt, beim zuständigen Amtsgericht L. seinen Austritt aus der Kirche zu erklären, um ihn innerhalb der nach seiner Ansicht noch bestehenden so genannten Überlegungsfrist wieder zurückzunehmen. Über die Bedeutung dessen, was er damit getan hatte, war sich der Antragsteller klar. Ebenso war er sich der Tragweite seines Handelns voll bewusst. Mit der von ihm, wie er es u.a. ausdrückt, als zeichenhaft verstandenen Absichtserklärung hat er der aus seiner Sicht verkrusteten Kirche, die ihm weder Schutz, Fürsorge noch Geborgenheit mehr gab, einen neuen Anstoß geben wollen. Mit der aus einer solchen Haltung heraus hauptsächlich theologisch begründeten Rechtfertigung für seine beim Amtsgericht L. abgegebenen Erklärung kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg gegen die sein Dienstverhältnis als Pfarrer betreffenden Vorschriften wenden. Insofern hat er in unzulässiger Weise theologische Ansichten mit ausschließlich rechtlichen Fragen verquickt, wie nicht zuletzt die von ihm in der mündlichen Verhandlung nach Rücksprache mit seinem Prozessbevollmächtigten allerdings wieder zurückgenommenen Beweisanträge zu theologischen Fragen beweisen. Besonders deutlich wird dies u.a. in nachstehenden Sätzen aus seiner Erwiderung zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15. Januar 1978:
„…
Der angeblichen Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin müsste also der theologisch Nachprüfbare und als solcher erkennbare Beweis zugrunde liegen, dass und inwiefern die als Zeichen Verstandene und von Anfang an als solches deklarierte Absichtserklärung des Antragstellers vor dem Amtsgericht das „prophetische und apostolische Zeugnis der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes" als „alleinige und vollkommene Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens" (Abs. 2 Gr. Art. KO) sachlich ignoriert und insofern auch das Gedeihen der Versöhnung mit Gott und den Menschen unmöglich macht. Dieser Beweis fehlt, und die Antragsgegnerin wird es schwer haben, diesen Nachweis in einer mündlichen Verhandlung zu erbringen."
Das von dem Antragsteller in so drastischer Weise gesetzte Zeichen war bei voller Anerkennung von verständlichem Ärger und auch möglicherweise berechtigter Unzufriedenheit nicht nur unangebracht, sondern auch im Verhältnis zu den tatsächlich bestandenen Spannungen und Auseinandersetzungen unangemessen. Damit hat der Antragsteller allein durch dieses Verhalten einen Tatbestand geschaffen, der ihm die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Evangelischen …-Kirchengemeinde L. unmöglich macht.
4. Bei der nach Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 49 Abs. 1 b) PfDG verbliebenen Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nicht fehlerhaft gehandelt, wenn sie den Antragsteller abberufen hat. Diese Entscheidung ist von der Verwaltungskammer nach § 3 KiVwGO nur insoweit nachzuprüfen, als die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Beides ist nicht der Fall. Insbesondere hat die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen noch das von dem Antragsteller besonders erwähnte Gebot der Angemessenheit verletzt. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Einen derart Aufsehen erregenden Schritt, wie ihn der Antragsteller nach seinen verschiedenen Erklärungen verstanden wissen wollte und auch mit seiner von sich aus vollendeten Erklärung über den Kirchenaustritt getan hat, konnte die Antragsgegnerin nur in der von ihr vorgenommenen Weise beantworten. Eine andere Reaktion wäre bei sehr vielen ihrer Glieder auf Unverständnis gestoßen. Daran vermögen auch die von dem Antragsteller dagegen angeführten Gründe nichts zu ändern. Auf den von ihm zitierten Fall K. kann er sich schon deshalb nicht berufen, weil, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen hat, ein anderer Sachverhalt gegeben und deshalb nicht vergleichbar ist.
III. Aber auch hinsichtlich der Wartestandsversetzung sind die von der Antragsgegnerin erlassenen und vom Antragsteller angefochtenen Entscheidungen nicht zu beanstanden. Die dafür maßgebende Vorschrift des § 54 Abs. 1 PfDG lautet:
„(1) Über die Fälle des § … hinaus kann der Pfarrer in den Wartestand versetzt werden, wenn die Gründe, die eine Abberufung nach § 49 Abs. 1 b) erfordern, eine gedeihliche Wirksamkeit des Pfarrers auch in einer anderen Pfarrstelle zunächst nicht erwarten lassen.“
1. Die dafür notwendigen Voraussetzungen sind, wie die Antragsgegnerin zu Recht in den angefochtenen Entscheidungen ausgeführt hat, erfüllt. Die hinsichtlich des zusätzlichen Tatbestandes von der Antragsgegnerin zu stellende Prognose ist unter den gegebenen Umständen zutreffend und sachlich nicht zu beanstanden. Das durch die Erklärung des Antragstellers beim Amtsgericht L. gesetzte Zeichen hat in der von ihm beabsichtigten und auch eingetretenen Weise eine weit über die Evangelische …-Kirchengemeinde L. hinausgehende Bedeutung gehabt und Aufsehen erregt. Wer nun wie der Antragsteller in seinem Dienstverhältnis unter bewusster Inkaufnahme einer solchen Wirkung auf zugestandener Maßen erheblichen Ärger und Verdruss durch das Presbyterium und nach der eigenen Darstellung unterbliebenen Schutz, notwendigen Fürsorge und Unterstützung durch seine Seelsorger und Berater unangemessen reagiert, muss, wenn er sich der Tragweite seines Handelns voll bewusst war, auch die daraus ergebenden Konsequenzen tragen. Von einem im 59. Lebensjahr stehenden Pfarrer hätte bei voller Anerkennung des nach seiner Auffassung angeblich unerträglichen Zustandes etwas mehr Gelassenheit, Selbstkontrolle, Nüchternheit, Sachlichkeit und wohl auch Toleranz gegenüber vielleicht uneinsichtigen, unsachlichen Presbytern und auch nicht immer richtigem Verhalten Anderer erwartet werden dürfen. Dies bedeutet keineswegs, nicht deutlich und unmissverständlich seine eigene Meinung zu sagen und dafür einzutreten. Dabei ist es aber notwendig, sich durch eventuell ungehörige Äußerungen Anderer und deren unmögliches Verhalten – dem Antragsteller ist einzuräumen, dass dies unter Umständen außerordentlich schwer fällt – nicht provozieren zu lassen und nicht durch eigenes Verhalten, insbesondere durch den Gebrauch unangebrachter Worte – auch in der mündlichen Verhandlung sprach der Antragsteller von Lug und Trug – zu einer weiteren Steigerung einer nicht mehr Emotionsfreien und von einer zum eigentlichen Anlass gelösten, unverhältnismäßig zugenommenen und deshalb schon zum Selbstzweck gewordenen Auseinandersetzung beizutragen. Dass einem Austritt eine erhebliche Bedeutung beigemessen wird, zeigt nicht nur § 64 PfDG. Vielmehr bestimmt § 54 Abs. 2 PfDG, dass ein Pfarrer in den Wartestand versetzt werden kann, wenn sein Ehegatte aus der Evangelischen Kirche austritt oder Mitglied einer Religionsgemeinschaft wird, die im Widerspruch zur Evangelischen Kirche steht.
2. Auch hinsichtlich der Entscheidung über die Wartestandsversetzung hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen nicht fehlerhaft angewendet. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Abberufung verwiesen. Im Hinblick auf die Bedeutung der vom Antragsteller bewusst gewollten Wirkung seiner beim Amtsgericht L. abgegebenen Erklärung kann auch dem Umstand, dass es sich dabei um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat, kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Bei der Schwere dieses vom Antragsteller vollzogenen Schrittes spielt es keine Rolle, dass der Antragsteller sich bisher untadelig geführt und 30 Jahre lang in verschiedenen Pfarrstellen nach seinem unbestrittenen Vortrag eine gedeihliche Arbeit geleistet hat. Dabei kann und darf im Hinblick auf alle seine besonders im letzten Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28. März 1978 vorgetragenen Gesichtspunkte, die in der dazu beigefügten schriftlich überreichten persönlich abgegebenen Stellungnahme angeführten theologischen Erwägungen, die auch in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Erklärungen und seine mannigfachen Versuche, sein damaliges Verhalten rechtfertigen, entschuldigen und die Bedeutung seiner damaligen Erklärung nunmehr verkleinern zu wollen, nicht außer Betracht bleiben, dass dies alles im Widerspruch zu seiner anfänglich weit mehr in den Vordergrund gestellten Überlegung steht, durch einen für einen Pfarrer ungewöhnlichen Schritt ein nachhaltiges und eindrucksvolles Zeichen zu setzen. Da er dies getan hat und es nicht nur bei einer Androhung – so wie der von ihm genannte Professor K. – belassen hat, muss er auch die sich aus diesem ungewöhnlichen Schritt notgedrungen ergebenden dienstrechtlichen Maßnahmen gegen sich gelten lassen. Dabei trifft es entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht zu, dass die Wartestandsversetzung für ihn „nahezu die Wirkung einer gänzlichen Ausschließung von der Berufsausübung“ habe. Das Gegenteil ergibt sich aus § 57 PfDG. Danach kann sich der Pfarrer im Wartestand um die Wiederverwendung in einer freien Pfarrstelle bewerben. Das Landeskirchenamt kann seine Bewerbung (Bestätigung) innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren ablehnen oder zurückstellen, wenn eine gedeihliche Wirksamkeit in einer neuen Pfarrstelle noch nicht gewährleistet erscheint. Darüber hinaus kann das Landeskirchenamt dem Pfarrer im Wartestand widerruflich die Verwaltung einer Pfarrstelle oder einen anderen kirchlichen Dienst übertragen. Welche Möglichkeiten sich für den Antragsteller künftig noch ergeben, kann mit Rücksicht darauf, dass dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, auf sich beruhen.
IV. Nach alledem sind die von der Antragsgegnerin erlassenen und vom Antragsteller angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich seiner Abberufung und Wartestandsversetzung rechtmäßig ergangen. Lediglich ist auf den zweiten Hilfsantrag des Antragstellers festzustellen, dass der Beschluss der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 insoweit rechtswidrig gewesen ist, als in ihm nicht die Rechtswirksamkeit der Abberufung des Antragstellers frühestens zum 25. Februar 1978 angegeben worden ist. Mit Rücksicht auf die zwingende Regelung des § 50 Abs. 3 PfDG durfte dieser Ausspruch nicht unterbleiben. Auf den Umstand, dass dieser Ausspruch bei einer gleichzeitigen Wartestandsversetzung keine praktische Bedeutung hat, und deshalb nicht zu erfolgen braucht, wie die Antragsgegnerin meint, kann es dann nicht mehr ankommen. Da der vom Antragsteller genannte Zeitpunkt inzwischen verstrichen ist, kann ein Ausspruch in der im ersten Hilfsantrag genannten Weise nicht mehr ergehen. Vielmehr kann nur entsprechend dem zweiten Hilfsantrag erkannt werden. Für diese Feststellung hat die Verwaltungskammer im Hinblick auf die nicht absehbaren Folgen, die die unterlassene Angabe des Zeitpunktes der Rechtswirksamkeit der Abberufung nach § 50 Abs. 3 PfDG haben könnte, das dafür notwendige berechtigte Interesse gemäß § 31 KiVwGO i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bejaht.