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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 12.06.1990 |
Aktenzeichen: | VK 2/90 |
Rechtsgrundlage: | PfDG § 60 PredG § 13 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Ruhestand, Wartestand |
Leitsatz:
Zu möglichen Einwänden eines ehemaligen Pfarrers im Wartestand, der in den Ruhestand versetzt wurde.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden.
#Tatbestand:
Der am … 1940 in B. geborene Kläger wurde am … 1970 in der Kirchengemeinde … durch Bischof H. von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg als Pfarrdiakon ordiniert und eingeführt. Bis zu seinem Weggang am … 1973 bekleidete der Kläger die 4. Pfarrstelle in der …-Kirchengemeinde in … . Ab … 1973 trat der Kläger in den Dienst der Beklagten und wurde am … 1973 von Superintendent … vom Kirchenkreis … als Prediger (Pastor) und Pfarrstellenverwalter bei der Evangelischen Kirchengemeinde Sch. eingeführt. Dort war der Kläger bis zum … 1980 tätig. Ab … 1980 übernahm der Kläger als Prediger (Pastor) und Pfarrstellenverwalter die Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde W. (Kreis …). Aus diesem Amt wurde der Kläger durch Beschluss der Kirchenleitung vom 23. Oktober 1986 mit Wirkung ab 1. Dezember 1986 in den Wartestand versetzt, nachdem seine vierte Ehefrau im September 1986 die eheliche Wohnung verlassen hatte. Diese Ehe ist seit dem 19. Januar 1988 rechtskräftig geschieden. Die vorangegangenen Scheidungen des Klägers von jeweils anderen Frauen erfolgten am 9. April 1965, 26. November 1975 und 23. Mai 1980. Bei seiner Anhörung durch die Beklagte am 19. September 1986 hatte der Kläger die Unhaltbarkeit seiner Lage eingesehen und seiner Versetzung in den Wartestand zugestimmt. Die Erteilung eines Beschäftigungsauftrages nach § 57 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Union (Pfarrerdienstgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1981, KABl. 1981 S. 201 (PfDG), mit weiteren, hier nicht einschlägigen Änderungen, zog die Beklagte aufgrund der Umstände des Falles nicht in Betracht.
Nach Ablauf von drei Jahren versetzte die Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 5. Dezember 1989 gemäß § 60 Abs. 1 PfDG mit Ablauf des 31. Dezember 1989 in den Ruhestand. Den vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruch wies die Kirchenleitung durch Beschluss vom 17. Januar 1990 zurück, der dem Kläger als Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1990 zugestellt wurde.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 14. März 1990 erhobenen Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Ansicht der Beklagten, dass § 60 Abs. 1 PfDG keinen Raum für die Ausübung eines Ermessens lasse, treffe nicht zu. Er hat sich von 1986 bis 1988 mehrfach auf Pfarrstellen beworben. Deshalb sei der Vorwurf der Beklagten, dass er bis zum 19. September 1989 auf Bewerbungen verzichtet habe, unrichtig. Kenntnis von vakanten Pfarrstellen, auf die er sich beworben habe, hätte er seinerzeit nicht von der Beklagten, sondern von Bekannten und Freunden erhalten. Nach seiner Versetzung in den Wartestand habe es die Beklagte nicht mehr für nötig befunden, ihm die Zeitschrift „botschaft aktuell“ zuzusenden.
Weitaus schwerwiegender für die Begründung seiner Klage sei das widersprüchliche Verhalten der Beklagten zu werten. Nach dem Gespräch im Landeskirchenamt am 19. September 1989 habe er von dort unter dem 11. Oktober 1989 eine Aufstellung von vakanten Pfarrstellen erhalten. Auf diese Stellen habe er sich beworben. Nachdem die Bewerbungsgespräche begonnen hätten, sei er ohne vorherige Ankündigung kurzerhand in den Ruhestand versetzt worden. Dieses Verhalten stelle sich als einen äußerst unbrüderlichen Akt dar, wenn man berücksichtige, dass die Dreijahresfrist des § 60 Abs. 1 PfDG bereits am 1. November 1989 abgelaufen gewesen sei. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liege auch darin, dass die Beklagte als Dienstherr ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, durch Zuweisung einer vakanten Pfarrstelle den Wartestand zu beenden. In diesem Zusammenhang könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es zur vierten Ehescheidung allein durch das Verhalten seiner Frau gekommen sei. Wie er erst nach der Scheidung erfahren habe, habe diese damals ein Verhältnis mit einem englischen Soldaten gehabt. Aus dieser Beziehung habe seine Frau ein Kind bekommen. Zwar sei der Bescheid über seine Versetzung in den Wartestand bestandskräftig; dagegen könne und wolle er sich auch nicht mehr wenden. Jedoch müssten die damaligen Umstände bei seiner Versetzung in den Ruhestand mitberücksichtigt werden. Er befinde sich in einem Alter, in dem er noch weiter tätig bleiben wolle. Als Wartestandsbeamter sei eine Rückkehr in den aktiven Dienst leichter möglich. Seiner Ansicht nach habe die Beklagte rein formaljuristisch entschieden, wenn sie auf seinen Einwand der mangelnden Fürsorge ausführe, dass alle diese Gesichtspunkte bei einer Versetzung in den Ruhestand nach § 60 Abs. 1 PfDG außer Betracht bleiben müssten. Schließlich liege mit Rücksicht auf sein Alter seine Versetzung in den Ruhestand auch aus rein finanziellen Erwägungen nicht im Interesse der Beklagten und ihrer Glieder.
Der Kläger beantragt, | |
den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 1989 über seine Versetzung in den Ruhestand in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn erneut in den Wartestand zu versetzen. | |
Die Beklagte beantragt, | |
die Klage abzuweisen. |
Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen. Unter Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes der Evangelischen Kirche der Union vom 4. Januar 1986 (Az.: VGH 66/85) führt sie aus, dass für ein Ermessen im Rahmen des § 60 Abs. 1 S. 1 PfDG kein Raum mehr sei. Deshalb komme es auf die von dem Kläger vorgetragenen Einwände hinsichtlich eines unbrüderlichen und fürsorgewidrigen Verhaltens der Beklagten nicht an. Im Übrigen träfen die von dem Kläger vorgebrachten Einwände tatsächlich nicht zu, wie sich gerade aus dem Inhalt des Aktenvermerks über die Vorsprache des Klägers und seines damaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt …, im Landeskirchenamt ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Verfahrens über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO – VK 1/1990–, der von den Beteiligten überreichten Unterlagen und der von der Beklagten beigezogenen Personalakten des Klägers Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
- Die Klage ist zulässig.Der Kläger befand sich mit seiner Einführung als Prediger (Pastor) und seiner Berufung als Pfarrstellenverwalter gemäß den Bestimmungen des Kirchengesetzes über das Amt des Predigers in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 4. Oktober 1968, KABl. 1968 S. 156 (PredG), auf das nach § 13 die Vorschriften des Pfarrerdienstgesetzes sinngemäß Anwendung finden, soweit in dem Predigergesetz nichts anderes bestimmt ist, in Verbindung mit § 1 PfDG in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Da er als Pastor im Wartestand nach Ablauf von drei Jahren durch die im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheide gemäß § 60 PfDG in den Ruhestand versetzt wurde, ist die von ihm erhobene Klage nach § 2 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974 S. 194, geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983, KABl. 1983, S. 214 (VwGG), zulässig. Im Übrigen folgt die Zulässigkeit des Rechtsweges zur Verwaltungskammer als dem zuständigen Kirchengericht auch aus § 60 Abs. 6 PfDG, wonach das gliedkirchliche Recht in den Fällen der Absätze 1, 2 und 4 ein Rechtsmittelverfahren vorsehen kann. Dies ist im Bereich der Beklagten geschehen.
- Die Klage ist aber unbegründet.Die von dem Kläger mit seiner Klage angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und können kirchengerichtlich nicht beanstandet werden.
- 1)
- Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Entscheidung ist § 60 Abs. 1 PfDG, der gemäß § 13 PredG auf den Kläger als Pastor (Prediger) sinngemäß Anwendung findet. Diese Vorschrift bestimmt:
Nicht nur aus dem Wortlaut der Regelung folgt, dass nach dem Ablauf von drei Jahren die Versetzung in den Ruhestand zu erfolgen hat.„(1) Ein Pfarrer im Wartestand ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn die Wiederanstellung bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Beginn des Wartestandes nicht erfolgt ist; dies gilt nicht, solange sich der Pfarrer gemäß § 21 Abs. 2 oder § 61a Abs. 1 oder aufgrund sonstiger kirchengesetzlicher Bestimmungen im Wartestand ohne Wartegeld befindet. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der Pfarrer gemäß § 57 Abs. 2 auftragsweise beschäftigt ist.(2) … „Vielmehr lässt auch das Wort „ist“, da die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände des § 60 Abs. 1 PfDG beim Kläger unbestritten nicht vorliegen, für eine Ermessensentscheidung keinen Raum, wie sie u.a. in § 60 Abs. 2 PfDG vorgesehen ist. Nach dieser Bestimmung „kann“ ein Pfarrer im Wartestand „in den Ruhestand versetzt werden, wenn er der Aufforderung der Kirchenleitung, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben, binnen sechs Monaten nicht nachkommt“. Aber auch aus dem Sinn und Zweck des § 60 Abs. 1 PfDG ergibt sich, dass nach dem Ablauf von drei Jahren die Beklagte bzw. das für sie handelnde Landeskirchenamt verpflichtet gewesen ist, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Wie streng selbst der kirchliche Gesetzgeber die Einhaltung dieser Frist gesehen hat, macht der letzte Satz des § 60 Abs. 1 PfDG deutlich, wenn dort ausdrücklich bestimmt ist, dass der Lauf der Frist gehemmt ist, „solange der Pfarrer gemäß § 57 Abs. 2 auftragsweise beschäftigt ist“.Aufgrund dieser eindeutigen Rechtslage und der von dem Landeskirchenamt nach Ablauf der drei Jahre am 30. November 1989 durch den Bescheid vom 5. Dezember 1989 fristgemäß ausgesprochenen Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist der gegen den Kläger erlassene Bescheid über seine Versetzung in den Ruhestand offensichtlich rechtmäßig, wie das Landeskirchenamt in dem Bescheid über die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 20. Dezember 1989 zutreffend ausgeführt hat. - 2)
- Unabhängig davon, dass nach der eindeutigen Rechtslage für Ermessenserwägungen kein Raum mehr ist, greifen die von dem Kläger schriftsätzlich und auch noch in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände nicht durch.
- Die vom Kläger vorweg beanstandete Feststellung des Landeskirchenamtes, dass dieser bis zum 19. September 1989 auf Bewerbungen „verzichtet“ habe, beruht auf einem sprachlichen Missverständnis. Mit dieser Ausführung ist in erkennbarer Weise nicht gemeint, dass der Kläger damit eine regelrechte Verzichtserklärung abgegeben habe. Vielmehr hat die Beklagte damit nur zum Ausdruck bringen wollen, dass ihr keine Bemühungen des Klägers um eine Wiederverwendung bekannt geworden sind.Diese Annahme steht auch im Einklang mit der eigenen Darstellung des Klägers, wenn er vorträgt, dass er Kenntnis von vakanten Pfarrstellen, auf die er sich beworben habe, nicht von der Beklagten, sondern von Bekannten und Freunden erhalten habe. Erst als den Vertretern der Beklagten nach dem Inhalt des Aktenvermerkes vom 19. September 1989 aufgrund der damals erfolgten Vorsprache in Bielefeld das Gegenteil ihrer Annahme bekannt wurde, haben sie, wie die aus dem Gespräch gezogenen Folgerungen zeigen, dem Kläger vakante Stellen mitgeteilt.
- Wenn dem Kläger nach dem Gespräch am 19. September 1989 nicht nur die Zeitschrift „botschaft aktuell“ übersandt wurde, sondern das Landeskirchenamt ihm unter dem 14. Oktober 1989 auch noch eine Aufstellung von vakanten Pfarrstellen hat zukommen lassen, so geschah dies, wie die Beklagte unter Hinweis auf den Aktenvermerk vorträgt, als Hilfe für den Kläger und der ihr nach dem Fürsorgegrundsatz obliegenden Unterstützungsverpflichtung. Jedoch haben nach dem Inhalt des Aktenvermerkes zumindest bei der Beklagten keine Zweifel darüber bestanden, dass der Kläger zum Einen am Ende des Jahres mit seiner Versetzung in den Ruhestand zu rechnen habe und zum Anderen an eine Hinausschiebung der Versetzung in den Ruhestand durch Erteilung eines Beschäftigungsauftrages seitens des Landeskirchenamtes nicht gedacht sei. Wenn der Kläger dem Inhalt der Unterredung eine andere Bedeutung beigemessen hat und auch aus dem Verhalten der Beklagten über die Zusendung der Zeitschrift „botschaft aktuell“ und der Aufstellung von vakanten Pfarrstellen für ihn günstigere, aber rechtlich nicht gerechtfertigte Folgerungen gezogen hat, so geht dies bei der Eindeutigkeit der Rechtslage und der ihm in der Unterredung mitgeteilten Einzelheiten, wie sie sich aus dem Aktenvermerk ergeben und von ihm im Einzelnen auch nicht ausdrücklich bestritten werden, allein zu seinen Lasten. Jedenfalls kann aus dem Verhalten des Vertreters der Beklagten nach dem Inhalt des Aktenvermerkes nicht angenommen werden, dass damit dem Kläger eine Verlängerung der Dreijahresfrist gewährt werden sollte.
- Auch kann sich der Kläger zur anderen Beurteilung der Ereignisse, die zur Scheidung seiner vierten Ehe geführt haben, nicht mehr im vorliegenden Verfahren auf die Umstände berufen, wie sie ihm nach dem Abschluss des Ehescheidungsverfahrens bekannt geworden sind. Seine Versetzung in den Wartestand ist rechtskräftig abgeschlossen. Gegenstand der hier zu entscheidenden Klage ist allein seine Versetzung in den Ruhestand. Inwieweit diese in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachten Gesichtspunkte bei einer eventuellen Reaktivierung des Klägers nach § 61 PfDG eine Rolle spielen können, ist ebenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
- Schließlich kommt auch dem Einwand des Klägers, dass mit Rücksicht auf sein Alter seine Versetzung in den Ruhestand aus rein finanziellen Erwägungen nicht im Interesse der Beklagten und ihrer Glieder liege, keine rechtliche Bedeutung zu. Im Übrigen ist diese Behauptung des Klägers unzutreffend. Durch seine Versetzung in den Ruhestand vermindert sich die Belastung für die Beklagte und ihre Glieder nach dem Stande der Vergütungen vom Dezember 1989 um den Bruttobetrag von 107,09 DM im Monat. Darüber hinaus ist der Kläger durch seine Versetzung in den Ruhestand nicht gehindert, sich ebenso wie als Pastor im Wartestand um eine erneute Übertragung eines Pastorenamtes zu bemühen, wenn er sich davon tatsächlich Erfolg versprechen sollte.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 S. 1 VwGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gebühren und Auslagen werden für das Verfahren nicht erhoben (§ 29 Abs. 1 VwGG).