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Kirchengericht:Verwaltungsgerichtshof der UEK
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:23.02.2006
Aktenzeichen:VGH 4/05
Rechtsgrundlage:PfDG § 84 Abs. 1 Nr 2, Abs. 2
Vorinstanzen:Verwaltungskammer (VK 2/04)
Schlagworte:Abberufung, Pfarramt, Gemeindefrieden, Verhalten (pflichtwidriges)
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Die erstinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VK 2/04 aufrufen.
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Leitsatz:

  1. Das Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG hat keinen Vorrang vor dem Verfahren nach § 84 Abs. 2 PfDG.
  2. Das Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG gibt dem Pfarrer nicht die Möglichkeit, gegen ihn erhobene Vorwürfe zu entkräften; es kommt allein darauf an, ob er in seiner Gemeinde noch gedeihlich wirken kann; eine wie auch immer geartete Zuweisung einer Schuld ist unerheblich.

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 8. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Abberufung aus einer Pfarrstelle.
Der ledige Kläger bekleidet seit 1989 eine Pfarrstelle. In einem Gemeindebrief, dessen Herausgabe vom Presbyterium der Kirchengemeinde allerdings unterbunden wurde, nahm er zur Homosexualität ablehnend Stellung. Unter der Überschrift "1. August 2001: "HOMO-EHE" in Kraft" beklagte er den Umstand, dass, geschürt durch die Medien, Homosexualität tatsächlich auf allerbreitester Ebene gesellschaftlich akzeptiert werde. Dies widerspreche Gottes Wort, wie es im Alten Testament verschiedentlich verkündet worden sei. Wörtlich heißt es weiter:
„Der 1. August 2001 macht noch einmal neu und erschreckend offenbar, dass wir uns keineswegs im "christlichen Abendland", sondern mitten im Heidentum befinden. Dazu haben leider viele Landeskirchen und ihre höchsten Vertreter durch ihre widerbiblischen Worte und Handlungen zur Problematik beigetragen. Sie haben sich als geistliche Verführer erwiesen, die damit den wahren Zorn Gottes gegen sich haben.
Deutschland steht unter Gottes Zorn, und nur, wer entschlossen zu Jesus Christus umkehrt, wird in kommender schwerer Zeit seine Gnade erfahren.
Was ich sehe und höre, lässt mich ausrufen: Wacht auf und kehrt um!
Es ist ja nicht nur die "Homo-Ehe" allein, sondern viele andere Gottlosigkeit in Regierung und Gesetzgebung, die Gottes Gebot und Ehre zutiefst kränken und verletzen, natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Ich spüre und empfinde drückend seinen Zorn – und so gebe ich es weiter mit dem Wunsch, dass auch in dieser Stadt noch viele Menschen aufwachen, sich von Herzen Jesus Christus zuwenden und die Wege des Satans verlassen …“
Das aus zwölf Mitgliedern bestehende Presbyterium des Kirchenkreises nahm den Wortbeitrag des Klägers und vorangegangene jahrelange Querelen zum Anlass, die Abberufung des Klägers in die Wege zu leiten. In seiner Sitzung vom 11. Februar 2002 fasste es mit acht Stimmen bei drei Gegenstimmen den Beschluss, die Aufhebung der Übertragung der Pfarrstelle an den Kläger "gemäß § 84, Abs. 1, Punkt 2 des Pfarrdienstgesetzes" zu beantragen. Aufgrund der Vorkommnisse in den letzten Wochen und Monaten und der weiter zurückliegenden Geschehnisse sehe es keine Perspektive mehr für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger. Am 12. Februar 2002 wurde der Kläger von den pfarramtlichen Diensten beurlaubt.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 wandte sich der Kläger u.a. an die Mitglieder des Kreissynodalvorstandes und legte Widerspruch gegen die bisherigen Vorgehensweisen ein. Gedeihliche Zusammenarbeit könne nicht oberstes Prinzip der Kirche sein, wenn nicht Jesus Christus, sein Auftrag und sein Wort uneingeschränkt im Vordergrund stünden; der Grundkonflikt hinter der nicht gedeihlichen Zusammenarbeit und in anderen Fällen, um die er wisse, sei der zwischen der uneingeschränkten Nachfolge Jesu Christi im Einvernehmen seines Wortes und einer "weltoffenen", humanistischen und liberalen Glaubensrichtung bis in Mehrheiten der Presbyterien hinein, wo es sogar in der Leugnung grundsätzlicher Glaubensinhalte noch über liberale Positionen hinausgehen könne. In weiteren Stellungnahmen grämte sich der Kläger, dass es in der Weise, wie er es erlebe, keine "Kirche mit Zukunft" gebe, weder für das Presbyterium noch für den Pfarrer der zweiten Pfarrstelle der Kirchengemeinde, den Superintendenten C und die ganze westfälische Kirche. Außerdem nahm er für sich in Anspruch, aller menschlichen Selbstherrlichkeit (wie es sie ganz offensichtlich im Presbyterium, vor allem bei dem Pfarrer der zweiten Pfarrstelle der Kirchengemeinde gebe) feind zu sein.
Nachdem der Kreissynodalvorstand am 11. März 2002 mit den Stimmen seiner sämtlichen acht ordentlichen Mitglieder dem Antrag der Kirchengemeinde auf Aufhebung der Pfarrstellenübertragung zugestimmt und das Landeskirchenamt sowohl das Presbyterium der Kirchengemeinde "zur beabsichtigten Abberufung gemäß § 84 I Nr. 2 PfDG" als auch den Kläger angehört hatte, beschloss die Kirchenleitung in ihrer Sitzung vom 11. Juli 2002, den Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2002 aus der Pfarrstelle gem. § 84 Abs. 2 des PfDG abzuberufen.
Diesen Beschluss sowie den hierzu ergangenen Bescheid des Landeskirchenamts vom 16. Juli 2002 hob die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen mit Urteil vom 24. September 2003 (VK 10/02) und der Begründung auf, dass die formellen Voraussetzungen für eine Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG nicht erfüllt seien. Es fehle insoweit an dem notwendigen Antrag des Presbyteriums der Kirchengemeinde und des Kreissynodalvorstandes; beide Gremien hätten lediglich eine Abberufung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG beantragt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Revision ein. Das Revisionsverfahren endete mit einer Einstellung, nachdem die Kirchenleitung der Beklagten am 18. Dezember 2003 ihren Abberufungsbeschluss aufgehoben hatte.
In seiner Sitzung vom 18. November 2003 kam das Presbyterium mit acht Stimmen bei einer Enthaltung überein, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 84 Abs. 2 PfDG erneut ein Abberufungsverfahren zu initiieren. Am 4. Dezember 2003 wurde der Kläger hierzu gehört. Auf die Frage eines Presbyteriumsmitglieds, ob der Kläger in den zwei Jahren, in denen beide Seiten Zeit gehabt hätten, über ihre jeweiligen Standpunkte nachzudenken, seine Haltung noch einmal überdacht habe, überreichte der Kläger eine schriftliche Erklärung, in der es u.a. heißt, dass er sich heute für vieles schäme, wo auch er dahinter zurückgeblieben sei, was Jesus Christus von ihm erwartet habe, wo er in Kompromissen, die nicht gut seien, und falscher Anpassung gelebt habe, und dass er es vor Gott bereue. Der Auslöser für die Abberufung seien die Geschehnisse um die damaligen Gemeindebriefe gewesen. Dass die hier von ihm, dem Kläger, vertretene biblisch-theologische Argumentation in der bekannten Weise hauptsächlich durch den Pfarrer der zweiten Pfarrstelle der Kirchengemeinde, zuletzt in dessen schrift- und bekenntniswidrigen Texten bekämpft worden sei, habe zur Eskalation geführt. Eine Kirche, in deren Mitte solche Texte akzeptiert würden, während sie seine Aussagen ahnde, zeige, wie tief sie gesunken sei und dass sie Gottes Wort verlassen habe. Dies sei offensichtlich von der Mehrheit nicht gesehen und beachtet worden. Die anschließend erhobenen Vorwürfe gegen seine Dienstausübung seien aus zwölf Jahren zusammengetragen und in den entscheidenden Punkten falsch, anderes sei verdreht oder entstellt. Wenn überhaupt, komme gegen ihn allenfalls ein Lehrbeanstandungsverfahren in Frage, dem er sich furchtlos stellen werde. Angesichts der heutigen Lehrpositionen in der Kirche sei er jedoch der Überzeugung, dass Lehrbeanstandungs- oder auch Disziplinarverfahren für die Gegenseite längst fällig seien.
In der Sitzung vom 4. Dezember 2003 fasste das Presbyterium mit dem gleichen Stimmverhältnis wie am 18. November 2003 den Beschluss, die Kirchenleitung um die Abberufung des Klägers nach § 84 Abs. 2 PfDG zu bitten. Zur Begründung heißt es:
„Das Presbyterium nimmt die Erklärungen mit großem Befremden zur Kenntnis. Insbesondere seine schriftlichen Ausführungen "zur Anhörung am 04.12.2003", die keinerlei Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung bzw. zu einem einvernehmlichen Miteinander beinhalten; die Erklärung ist durchweg in einem unversöhnlichen Ton verfasst und enthält massive Vorwürfe und Verurteilungen gegenüber kirchenleitenden Personen und Gremien, dem Presbyterium und dessen Vorsitzenden.
Das Presbyterium sieht keine Möglichkeit für ein weiteres Wirken in der Kirchengemeinde und bittet die Kirchenleitung dringend, ihn nach § 84 Abs. 2 PfDG abzuberufen. Ein Verfahren nach § 84 Abs. 1 PfDG würde unzumutbare weitere Gräben aufreißen und neue Konflikte bringen. Das Presbyterium bezieht sich in vollem Umfang auf die bisherige Begründung, wie sie bereits in der Anhörung am 17.04.2002 festgestellt worden ist.“
Bei jener Anhörung war ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift zusammenfassend als Hauptgrund für den Abberufungsantrag der Vertrauensverlust des Presbyteriums zum Kläger genannt worden, der aus der Art und Weise des Auftretens des Klägers (Beobachtung einer gewissen Selbstherrlichkeit) und dem Übergehen des Presbyteriums in dessen Funktion als Leitungsorgan resultiere. Bezüglich der nicht erfüllten und demzufolge enttäuschten Erwartungshaltung des Presbyteriums waren exemplarisch benannt die fehlende kooperative Zusammenarbeit mit dem Presbyterium und allen Mitarbeitern der Kirchengemeinde, die fehlende Integration in das vorgefundene Gemeindeleben, die nicht vorhandene Kooperationsfähigkeit, die erforderlich sei, um in Ruhe und Frieden zusammen arbeiten zu können, sowie die mangelnde Fähigkeit, als Vorsitzender des Presbyteriums einen Ausgleich zwischen divergierenden Parteiungen schaffen zu können und im Zweifel eine befriedende Funktion wahrzunehmen. Der Kreissynodalvorstand hörte den Kläger in seiner Sitzung vom 7. Januar 2004 an und beschloss anschließend mit den Stimmen aller acht ordentlichen Mitglieder, ebenfalls die Abberufung des Klägers nach § 84 Abs. 2 PfDG zu beantragen.
Am 18. März 2004 entschloss sich die Kirchenleitung, den Kläger gem. § 84 Abs. 2 PfDG abzuberufen. In der Begründung des hierzu ergangenen Bescheides des Landeskirchenamtes vom 22. März 2004 ist u.a. folgendes ausgeführt:
Über die Jahre hinweg wurde im Presbyterium mit Ihnen über theologische Fragen, die unterschiedlich betrachtet werden, insbesondere um angemessene theologische Haltung zur Trauung Geschiedener, zur Taufe von Kindern nicht verheirateter Paare, zur Praktizierung homosexuellen Verhaltens sowie zur angemessenen Gestaltung des Konfirmandenunterrichts diskutiert. Grund waren immer wieder Klagen bezüglich Ihres Verhaltens zu diesen Fragestellungen. Vom Presbyterium musste immer wieder die Art und Weise diskutiert werden, in der Sie in den angesprochenen Bereichen jede Infragestellung der von Ihnen vertretenen Positionen blockierten und Andersdenkenden den rechten Glauben absprachen. Die Art und Weise Ihres Umgangs mit Gemeindegliedern führte auch für Ihren Kollegen immer wieder neu zu Rechtfertigungszwängen für die von Ihnen vertretene Einstellung, wenn er denn die von Ihnen abgelehnten Amtshandlungen übernahm. Auch die wiederholten Interventionen des Superintendenten überdeckten lediglich die schwelenden Auseinandersetzungen, ohne dass eine echte Befriedung erreicht werden konnte …
Das wesentliche Ereignis, welches für das Presbyterium die weitere Annahme Ihres Dienstes in der Gemeinde ausschließt, war dann allerdings Ihre Verlautbarung zur Homosexualität im Gemeindebrief im September 2001. Mit den dort verwendeten Formulierungen verließen Sie die Ebene der sachgemäßen Diskussion eines theologisch umstrittenen Themas und verletzten sowie diffamierten anders denkende Mitchristen in ihrem religiösen Empfinden. Sie brachten sodann gegenüber dem Superintendenten auch zum Ausdruck, dass Sie nicht bereit seien, Ihren Artikel zurückzuziehen, da es für Sie darum gehe, kompromisslos die biblischen Wahrheiten, wie Sie sie sehen, zu verkünden.
Das Presbyterium hat über Jahre hinweg die Auseinandersetzungen um die unterschiedlichen theologischen Auffassungen mitgetragen und insoweit entsprechend § 35 KO seine Pflicht erfüllt. Dass dieses Presbyterium eine
Weiterführung dieser Situation jedoch nicht mehr für vertretbar hält, wenn die Schroffheit Ihrer Haltung gegenüber Andersdenkenden sich in der Form dokumentiert, in der Sie im Gemeindebrief die Frage homosexuellen Verhaltens anschneiden, ist nachvollziehbar und vertretbar. Sie haben in der Art, in der Sie auf den Inhalten Ihres Gemeindebrief-Artikels bestanden, andere nicht nur verletzt und diffamiert, Sie haben sich vielmehr gegenüber anders denkenden Gemeindegliedern sprachunfähig gemacht. Sie haben auch in der Diskussion um diese Thematik in keiner Weise ein Einlenken gezeigt und Anhaltspunkte dafür gegeben, dass ein Neuanfang möglich sein könnte. Vielmehr dokumentiert bereits Ihr Schreiben an den Kreissynodalvorstand vom 13.02.2002, insbesondere in Punkt 5, dass das Presbyterium fürchten muss, künftig noch stärker als bisher mit einer jeden Andersdenkenden des Heidentums bezichtigenden Haltung konfrontiert zu sein. Auch haben Sie in Ihrer jüngsten Anhörung zu dieser Thematik im LKA am 10.02.2004 nichts anderes deutlich gemacht, als dass Sie als Pfarrer weiter wie bisher wirken wollen. Umkehr heiße für Sie "Umkehr des Sünders", – so in der Anhörung am 26.02.2002 im LKA – nicht etwa, dass die Kirche liberal werde. Das Presbyterium hat zu keinem Zeitpunkt von Ihnen eine "liberale" Haltung im Sinne einer Gleichgültigkeit erwartet, vielmehr würde dieses auch der Auffassung des Presbyteriums zutiefst widerstreben. Das Presbyterium muss aber nach Auseinandersetzungen, wie sie hier geführt worden sind, erwarten dürfen, dass ein Pfarrer die Unzumutbarkeit der Form, in der er seine Haltung bekundet, einsieht und deutlich macht, dass dergleichen sich nicht wiederholen wird – Sie beschränkten sich aber auf einen allgemeinen theologisch richtigen, im Kontext mit der Erwartung an eine gedeihliche Zusammenarbeit der Gemeinde aber belanglosen Satz von der Umkehr des Sünders.
Hinzu kommt, dass Sie nunmehr sogar die totale Konfrontation mit einem Kollegen bewirken, nur weil dieser theologisch eine andere Position zur Frage der Homosexualität vertritt als Sie selbst, indem Sie ihn nicht einmal grüßen; in Ihrer Anhörung im Landeskirchenamt haben Sie das damit begründet, dass "dieser Kollege ein Irrlehrer und ein Zerstörer der Gemeinde Jesu Christi" sei.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar und plausibel, wenn das Presbyterium zu der Überzeugung gelangt, dass ein weiteres Wirken für Sie im Pfarramt dieser Gemeinde nicht mehr akzeptabel sei.
Angesichts dieser Sachlage hält die Kirchenleitung einen Beschluss, der diesen Anträgen (d.h. denen des Presbyteriums und des Kreissynodalvorstandes auf Abberufung, erg.) entspricht, für die einzige Möglichkeit, die Probleme nicht weiter wachsen zu lassen. Von milderen Mitteln wie etwa dienstlichen Anweisungen und erneuten Bemühungen des Superintendenten, aber auch etwa von Abmahnungen und disziplinierenden Maßnahmen bezüglich Ihres jüngsten Verhaltens (vgl. Vorwürfe gegenüber Ihrem Kollegen) kann nicht mehr die Lösung der Probleme, wie sie sich jetzt darstellen, erwartet werden.
Auch eine Abwägung der Probleme, die die Abberufung für Sie mit sich bringt, mit den Problemen, die ein Unterlassen der Abberufung in der Gemeinde belassen bzw. dort steigern würden, führt für die Kirchenleitung zu der Überzeugung, dass die Abberufung der am ehesten noch vertretbare Weg ist: Ihre soziale Sicherung bleibt erhalten – schlimmstenfalls beziehen Sie nach Ablauf eines Jahres, in denen weiter die vollen Bezüge gezahlt werden, die Wartestandsbezüge. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, sich um freie Pfarrstellen zu bewerben; auch wird das Landeskirchenamt bemüht bleiben, einen Beschäftigungsauftrag für Sie zu finden. Angesichts dieser Gegebenheiten schien nach Abwägung auch der Interessen aller Beteiligten der Kirchenleitung die Abberufung in der Sache geboten und in den Konsequenzen für Sie auch vertretbar.
Die Verwaltungskammer hat die dagegen erhobene Klage als unbegründet abgewiesen: Die von der Kirchenleitung im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 PfDG) getroffene Abberufungsentscheidung nach § 84 Abs. 2 PfDG weise keine Rechtsfehler auf. Nach dieser Vorschrift könnten Pfarrer abberufen werden, wenn das Leitungsorgan ihrer Anstellungskörperschaft, bei Gemeindepfarren zusätzlich der Kreissynodalvorstand dies mit einer Mehrheit von zwei Drittel des ordentlichen Mitgliederbestandes beantrage.
Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt. Die Kirchenleitung sei auch nicht gehindert gewesen, auf den Abberufungstatbestand des § 84 Abs. 2 PfDG zurückzugreifen, denn das Presbyterium habe mit seinem Antrag den Anstoß für ein Abberufungsverfahren nach dieser Bestimmung gegeben. Auf die Frage, ob – wofür allerdings alles sprechen dürfte – der ursprüngliche Antrag (auf Abberufung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG) aufgrund des Verfahrensablaufs "verbraucht" oder jedenfalls im Hinblick auf die neue Antragstellung als nicht mehr aufrechterhalten anzusehen sei, komme es mithin nicht an. Im Übrigen lasse sich dem Pfarrdienstgesetz auch keine Vorgabe entnehmen, dass die Kirchenleitung, soweit sie die Wahlmöglichkeit zwischen einer Abberufung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG oder nach § 84 Abs. 2 PfDG habe, einer der beiden Alternativen den Vorrang einzuräumen hätte.
Bei der Abberufung des Klägers handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Nach § 46 VwGG seien Ermessensentscheidungen gerichtlich nur daraufhin zu überprüfen, ob die Entscheidung rechtswidrig sei, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten seien oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Norm nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht sei. Hieran gemessen halte die angefochtene Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle stand. Die Beklagte habe sich im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten und bei der Entscheidung auch die Zwecksetzung der Ermächtigungsnorm nicht verfehlt.
Vorrangiger Zweck des § 84 Abs. 2 PfDG sei es, Störungen des Gemeindefriedens zu begegnen. Eine eingetretene Störung des Gemeindefriedens (Zerrüttung) komme nach der Struktur der Norm schon dadurch zum Ausdruck, dass mindestens zwei Drittel des Leitungsorgans der Gemeinde durch ihre Stimmabgabe zu erkennen gegeben haben, keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem abzuberufenden Pfarrer zu sehen. Die fehlende Gewährleistung eines gedeihlichen Zusammenwirkens des Pfarrers in der Pfarrstelle werde in diesem Fall gesetzlich vermutet. Bedürfe es damit anders als im Falle des § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG keiner Einzelfeststellung zu der Frage, weshalb ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheine, so sei, um eine missbräuchliche Inanspruchnahme der in die Rechtsstellung des betroffenen Pfarrers erheblich eingreifenden Ermächtigung auszuschließen, auch im Rahmen des § 84 Abs. 2 PfDG zu verlangen, dass bei der Ermessensausübung weitere Indikatoren für die Störungen des Gemeindefriedens bei der Abberufungsentscheidung berücksichtigt worden seien.
Dies habe die Beklagte durch Kirchenleitung und Landeskirchenamt in Würdigung der Äußerungen im Rahmen der Anhörungen des Presbyteriums zu den Problemen im Umgang mit dem Kläger und des Verlaufsprotokolls des Superintendenten getan, die jeweils erkennen ließen, dass das Geschehen um die Herausgabe des Gemeindebriefs mit dem Artikel des Klägers zur Homosexualität, der der Auslöser für das Abberufungsverfahren gewesen sei, kein isolierter Vorfall gewesen sei, sondern dass die ausgrenzende Kompromisslosigkeit des Klägers und die Schroffheit seines Auftretens das Gemeindeleben belastet und immer wieder zu Spannungen im Presbyterium und zu Ausweichverhalten von Gemeindemitgliedern geführt hätten. Schon mit dem ersten Abberufungsantrag vom 11. Februar 2002 habe das Presbyterium zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht nur wegen der Herausgabe des Gemeindebriefs, sondern auch wegen der "weiter zurückliegenden Geschehnisse" zu dem Antrag veranlasst gesehen habe. Wenn das Presbyterium bei Beschwerden oder auch Versuchen von Eltern, Konfirmanden umzumelden, dem Kläger in der Vergangenheit keine Vorhaltungen gemacht oder sich nach außen vor ihn gestellt habe, entfalle damit nicht die Belastung des Gemeindelebens durch diese Vorfälle. Dass der Kläger die vom Presbyterium und vom Superintendenten angesprochenen Vorkommnisse anders darstelle oder bewerte, beseitige nicht die Relevanz der Äußerungen für den Befund, dass der Gemeindefrieden nachhaltig gestört sei. Die Beklagte habe sie also bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen und, wie im Abberufungsbescheid geschehen, als Beleg für das Zerwürfnis werten dürfen.
Darüber hinaus habe es die Beklagte auch als Ausdruck totaler Konfrontation, der ein künftiges gedeihliches Zusammenwirken in der Gemeinde ausgeschlossen sein lasse, werten können, dass der Kläger seinen Pfarrerkollege wegen dessen anderer theologischer Position zur Frage der Homosexualität nicht nur nicht mehr grüße, sondern dies auch noch in der Anhörung vor dem LKA mit der Begründung zu rechtfertigen versucht habe, dass dieser Kollege ein Irrlehrer und Zerstörer der Gemeinde Jesu Christi sei. Dieses Verhalten zeige im Übrigen, dass sich der Kläger gerade nicht – wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht – in der Auseinandersetzung auf mahnende Worte beschränkt habe, wie sie nach § 21 KO seines Auftrags seien.
Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte das "Abwägungsmaterial" nicht vollständig zusammengetragen und bei ihrer Entscheidung maßgebliche Gesichtspunkte, etwa die Frage der Verhältnismäßigkeit, unberücksichtigt gelassen haben könnte. Soweit der Kläger geltend mache, es habe allenfalls ein Lehrbeanstandungsverfahren gegen ihn in Betracht gezogen werden können, das mit der Abberufung umgangen werde, verkenne er, dass ihm seitens der Beklagten nicht das Vertreten bestimmter theologischer Auffassungen zum Vorwurf gemacht werde, sondern sein jeden Andersdenkenden des Heidentums bezichtigende Verhalten. Die Frage des Verschuldens an der eingetretenen Zerrüttung habe im Rahmen der Entscheidung nach § 84 Abs. 2 PfDG nicht nachgegangen werden müssen. Erwogen und letztlich verworfen seien anderweitige mildere Möglichkeiten zur Behebung der Probleme in der Gemeinde. Dies sei angesichts der vom Kläger zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass von den Konfliktbeteiligten nur er der Selbstherrlichkeit feind sei, auch nachvollziehbar. Die Ausführungen am Ende des Abberufungsbescheides zeigten ferner, dass die persönliche Situation des Klägers, die sozialen Auswirkungen der Abberufung und seine beruflichen Perspektiven gewürdigt worden seien.
Dass die Beklagte dem Aspekt der Wiederherstellung des Gemeindefriedens das ausschlaggebende Gewicht beigemessen habe, sei von der Zwecksetzung der Ermächtigungsnorm her nicht zu beanstanden.
Mit seiner fristgerecht eingelegten Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und des Abberufungsbescheids. Er ist der Auffassung, dass die Kirchenleitung nicht nach § 84 Abs. 2 PfDG habe vorgehen dürfen. Der ursprüngliche Antrag des Presbyteriums, ihn nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG abzuberufen, sei entgegen der Ansicht der Verwaltungskammer nicht "verbraucht" gewesen, als der Beschluss erging, seine Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG zu beantragen. Dies ergebe sich aus der zeitlichen Abfolge der Beschlüsse. Der Beschluss des Presbyteriums, seine, des Klägers, Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG zu beantragen, datiere vom 4. Dezember 2003, während der Beschluss der Kirchenleitung auf Aufhebung des Abberufungsbeschlusses vom 11. Juli 2002 erst am 18. Dezember 2003 gefasst worden sei. Der Zugriff auf § 84 Abs. 2 PfDG stelle sich als unzulässige Umgehung des Verfahrens nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG dar.
Die Abberufungsentscheidung sei zudem rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft sei. Die Beklagte habe zu Unrecht davon abgesehen, ein Lehrbeanstandungsverfahren ins Auge zu fassen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass Formfragen als Grund für die Störung des Gemeindefriedens nur vorgeschoben worden seien, es tatsächlich aber darum gehe, wegen grundlegender lehrmäßiger Differenzen eine unangenehme theologische Stimme zum Schweigen zu bringen. Ihm, dem Kläger, werde nämlich gerade attestiert, die Diskussion mit Andersdenkenden wahrgenommen zu haben. Vorgeworfen werde ihm in Wahrheit, sich die Argumente Andersdenkender nicht zu Eigen gemacht zu haben. Dieser Vorwurf sei unberechtigt, weil er, wie auch die Beklagte anerkenne, keine Irrlehre vertrete. Würde es jedoch tatsächlich um die Form der Auseinandersetzung gehen, so hätte die Beklagte mit seelsorgerischen Weisungen durch den Superintendenten entsprechend § 114 Abs. 3 KO bis hin zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen auf sein Verhalten reagieren müssen. Das sei nicht geschehen. Im Übrigen ergebe sich bei korrekter Darstellung und Würdigung der Ereignisse, aus denen die Beklagte eine Störung des Gemeindefriedens ableite (Gemeindebrief zur Frage der Homosexualität, Ummeldung von Konfirmanden, verschiedene Schreiben, Spielen des "Ave Maria" bei einer Goldhochzeit, Verhältnis zum Pfarrer der zweiten Pfarrstelle der Kirchengemeinde), dass er sich untadelig verhalten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 8. Juni 2005 zu ändern und den Bescheid des Landeskirchenamts vom 22. März 2004 aufzuheben.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof weist die Revision des Klägers gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 VwGG durch Beschluss zurück. Er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Revision wirft auch keine rechtsgrundsätzlichen Fragen auf; soweit sie derartige Fragen anspricht, sind sie bereits durch das Urteil des Senats vom 12. November 1999 – VGH 15/98 – (RsprB ABl.EKD 2001, 18) geklärt. Die Beteiligten sind nach § 57 Abs. 2 Satz 2 VwGG zur Entscheidungsform durch Beschluss gehört worden.
Das vorinstanzliche Urteil hält der revisionsgerichtlichen Kontrolle stand.
1. Die Verwaltungskammer hat zu Recht entschieden, dass es der Kirchenleitung nicht verwehrt war, eine auf § 84 Abs. 2 Pfarrdienstgesetz (PfDG) gestützte Abberufungsentscheidung zu treffen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat das Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG nicht Vorrang vor dem Verfahren nach § 84 Abs. 2 PfDG, wenn geltend gemacht wird, dass ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in seiner gegenwärtigen Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet sei. Vielmehr enthalten die Vorschriften zwei selbständige Abberufungstatbestände, die je nach den tatsächlichen Umständen jeweils nur einzeln oder auch gleichzeitig vorliegen können. Während § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG für die Abberufung die Feststellung erfordert, dass ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheint, genügt nach § 84 Abs. 2 PfDG die gesetzliche Vermutung der fehlenden Gewährleistung des gedeihlichen Wirkens des Gemeindepfarrers, wenn das Presbyterium und der Kreissynodalvorstand mit der Mehrheit von zwei Dritteln des ordentlichen Mitgliederbestandes die Abberufung beantragen. Wenn die Voraussetzungen für eine Abberufung nach beiden Vorschriften gegeben sind, kommen auch beide Verfahren in Betracht. Nach der Vorstellung des kirchlichen Gesetzgebers wird dem Verfahren nach § 84 Abs. 2 PfDG aus praktischen – nicht aus rechtlichen – Gründen sogar häufig der Vorzug zu geben sein, um das "unter Umständen sehr langwierige und für alle Beteiligten beschwerliche Verfahren (nach Absatz 1 Nr. 2), insbesondere Feststellungen eines nicht gedeihlichen Wirkens", zu vermeiden (vgl. die Entwurfsbegründung zu § 84 Abs. 2 PfDG, im Urteil des VGH vom 12. November 1999, a.a.O. <S. 20>). In der Wahl des Verfahrens nach § 84 Abs. 2 PfDG liegt deshalb weder eine Umgehung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG vor, noch werden Rechte des Pfarrers verkürzt, wie der Kläger geltend macht. Insbesondere könnte der Kläger auch in einem Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG "die erhobenen Vorwürfe" nicht "entkräften und als haltlos entlarven" sowie nachweisen, "dass er sich untadelig verhalten hat". Denn es kommt auch im Verfahren nach § 84 Abs. 1Nr. 2 PfDG allein darauf an, ob der Pfarrer in seiner Gemeinde noch gedeihlich wirken kann; eine wie auch immer geartete Zuweisung einer Schuld an dem zu ändernden Zustand ist weder Voraussetzung noch notwendiger Inhalt der Abberufung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. VGH der EKU, Urteil vom 16. November 1990 – VGH 13/89 – RsprB ABl.EKD 1992, 12).
Die Kirchenleitung durfte im vorliegenden Fall auch erneut eine auf § 84 Abs. 2 PfDG gestützte Abberufungsentscheidung treffen; denn das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 24. September 2003, mit dem die erste, ebenfalls auf § 84 Abs. 2 PfDG basierende Abberufungsentscheidung aufgehoben worden ist, ist nicht in Rechtskraft erwachsen. Selbst wenn es dazu gekommen wäre, wäre die Kirchenleitung nicht wegen § 49 VwGG an der umstrittenen Entscheidung gehindert gewesen. Im Fall einer erfolgreichen Anfechtungsklage ist es der im Vorprozess unterlegenen Behörde zwar untersagt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992 – BVerwG 1 C 12.92 – BVerwGE 91, 256 <258>). So liegt es hier aber nicht. Gegenüber der ersten Abberufungsentscheidung hatte sich die Situation insoweit entscheidungserheblich geändert, als Presbyterium und Kreissynodalvorstand ihren zweiten Abberufungsantrag nicht mehr wie den ersten mit § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG, sondern mit § 84 Abs. 2 PfDG begründet und damit den von der Verwaltungskammer markierten Rechtsfehler korrigiert hatten.
Entgegen der Ansicht des Klägers war das Presbyterium von Rechts wegen nicht gehalten, vor seinem erneuten Abberufungsantrag zunächst den Abschluss des ersten Abberufungsverfahrens abzuwarten. Da es von vornherein den Abberufungstatbestand des im Verhältnis zu § 84 Abs. 1 Satz 2 PfDG selbständigen § 84 Abs. 2 PfDG hätte wählen können, war es ihm nicht verwehrt, der Kirchenleitung durch den Beschluss vom 4. Dezember 2003 zu erkennen zu geben, dass das ursprüngliche Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG abgebrochen und ein neues, auf § 84 Abs. 2 PfDG gestütztes Verfahren durchgeführt werden solle.
2. Nach § 84 Abs. 2 PfDG können Pfarrerrinnen und Pfarrer abberufen werden, wenn das Leitungsorgan ihrer Anstellungskörperschaft, bei Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern zusätzlich der Kreiskirchenrat (Kreissynodalvorstand), mit einer Mehrheit von zwei Dritteln des ordentlichen Mitgliederbestandes dies beantragt hat. Wird – wie hier – das erforderliche Quorum erreicht, wird der Abberufungstatbestand des § 84 Abs. 1 Satz 2 PfDG, die fehlende Gewährleistung eines gedeihlichen Wirkens des Pfarrers in der Pfarrstelle, gesetzlich vermutet.
Die Entscheidung nach § 84 Abs. 2 PfDG steht im Ermessen der Kirchenleitung. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 12. November 1999 (a.a.O.) hat der Verwaltungsgerichtshof der Ermessensbetätigung folgende – enge – Grenzen gezogen:
Die Beschlüsse des Gemeindekirchenrats und des Kreiskirchenrats dürfen nicht zu anderen Zwecken als zu denen der Behebung eines Zustands fehlenden gedeihlichen Wirkens in der Pfarrstelle gefasst worden sein. So ist das Abberufungsverfahren beispielsweise kein Instrument der Personal- und Stellenbewirtschaftung. Es ist auch nicht dazu geschaffen, eine frühere Auswahlentscheidung zu revidieren und sich eines schwachen oder schwierigen Pfarrers zu entledigen, um so das Feld für einen vermeintlich besseren oder genehmeren Nachfolger zu ebnen. Ebenso wenig eignet es sich dazu, Maßnahmen wegen einer möglichen Dienstunfähigkeit zu umgehen und so den strengeren Verfahrensanforderungen an die Versetzung in den Ruhestand auszuweichen. Es ist auch kein Ersatz für Disziplinar- oder Lehrbeanstandungsverfahren. Auch im Übrigen ersetzt es nicht die Dienstaufsicht, sondern setzt bei sonst dienstaufsichtlich beeinflussbarem Fehlverhalten des Pfarrers geradezu den vergeblichen Einsatz oder aber die voraussehbare Wirkungslosigkeit der Mittel der Dienstaufsicht voraus: Werden Vorwürfe gegen den Pfarrer erhoben, die Verstöße gegen
die Grundordnung, Kirchengesetze oder sonstige kirchenrechtliche oder staatliche (z.B. arbeitsrechtliche) Rechtsvorschriften zum Gegenstand haben, bleiben daher Weisungen und Abmahnungen weiterhin in Betracht zu ziehen.
Eine dem Missbrauch vorbeugende Kontrolle hat im Rahmen des Ermessens stattzufinden. Das Konsistorium und die Kirchenleitung haben hier entsprechenden Anhaltspunkten nachzugehen. Darauf allein sind die Ermittlungen jedoch nicht zu beschränken. Zwar müssen die Ursachen langwieriger persönlicher Feindschaften und die Einzelheiten einer Zerrüttung der persönlichen Beziehungen in der Pfarrstelle nicht aufgeklärt werden. Die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG sind nach Sinn und Zweck der Neuregelung nicht vollständig nachzuzeichnen. Jedoch hat die Kirchenleitung die Vertretbarkeit der Entscheidung des Gemeindekirchenrats und des Kreiskirchenrats dazu, dass ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet ist, anhand konkreter Stichproben zu überprüfen. Dass dies geschehen ist, muss im Interesse eines Minimums an gerichtlicher Überprüfbarkeit in den Gründen des Bescheides dargelegt und anhand wenigstens eines typischen Beispiels verdeutlicht werden.
Entgegen der im Berufungsverfahren verdeutlichten Auffassung der Beklagten darf sich jedoch die Ermessensausübung keineswegs auf die Missbrauchskontrolle beschränken. Zusätzlich ist das klassische Rechtsfolgeermessen auszuüben, insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Maßnahme zu prüfen. Hieraus folgt zunächst, dass zu würdigen ist, ob die Abberufung erforderlich erscheint. Das ist nicht der Fall, wenn mildere Mittel ernsthaft Erfolg versprechen. Als solch mildere Mittel sind ganz allgemein Abmahnungen, Beratungsgespräche und dergleichen in Betracht zu ziehen. Ferner sind die Folgen, die eine Abberufung bzw. das Unterbleiben einer Abberufung erwarten lässt, einander gegenüberzustellen und abzuwägen. Auf Seiten des betroffenen Pfarrers ist zu berücksichtigen, was die Abberufung für ihn künftig bedeuten würde, z.B. wie groß – auch unter Berücksichtigung seiner bisherigen Laufbahn – die Aussichten sind, eine neue Pfarrstelle zu finden (vgl. § 87 Abs. 2 Satz 2 PfDG n.F.). Erscheint dies unsicher oder gar zweifelhaft, so ist weiterhin zu prüfen, wie sehr ein Wartestand und sich ein daran anschließender Ruhestand nach seinen persönlichen Verhältnissen (Alter, Familienstand, Zahl der Kinder) ihn und seine nächsten Angehörigen ansonsten belasten würden (§ 87 Abs. 2 Satz 4 PfDG n.F.). Auf Seiten der Gemeinde ist zu berücksichtigen, ob und wieweit der Pfarrer seine Aufgabe in der Gemeinde noch erfüllen kann. Bei dieser Prognose ist insbesondere zu berücksichtigen, welchen personellen Umfang der anlassgebende Konflikt angenommen hat und wie sehr er sich erkennbar – etwa durch Zeitablauf – verfestigt hat.
Die kirchlichen Entscheidungsträger und die Vorinstanz haben sich an die Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs gehalten. Die revisionsgerichtliche Kontrolle führt nicht auf einen Rechtsfehler.
Der Kläger hat zu Beginn des Abberufungsverfahrens selbst eingeräumt, dass die Zusammenarbeit nicht gedeihlich sei, und einen theologischen Grundkonflikt bestätigt. Es lässt sich in der Tat nicht übersehen, dass die konservative Einstellung des Klägers in Glaubensdingen wiederholt Stein des Anstoßes war. Der Kläger meint nun und versucht dies anhand von ihm geschilderter Einzelereignisse zu belegen, dass er mit der Abberufung wegen seiner theologischen Überzeugungen zur Rechenschaft gezogen werden solle. Mit seinem Vorbringen nach Art einer Berufungsbegründung ignoriert er, dass der Verwaltungsgerichtshof als Revisionsgericht keine weitere Tatsacheninstanz ist, sondern nach § 52 Abs. 3 VwGG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Die Verwaltungskammer ist in Würdigung des Sachverhalts zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte dem Kläger nicht das Vertreten bestimmter theologischer Auffassungen zum Vorwurf gemacht hat – dies wäre ein Fall für ein Lehrbeanstandungsverfahren, dem das Abberufungsverfahren in des nicht als Ersatz dienen darf –, sondern die Form, in der er seinen theologischen Überzeugungen Ausdruck verliehen und in der er sich mit Andersdenkenden auseinandergesetzt hat. Im Urteil werden die ausgrenzende Kompromisslosigkeit des Klägers und die Schroffheit seines Auftretens als Grund für die Belastung des Gemeindelebens, für Spannungen im Presbyterium und für das Ausweichverhalten von Gemeindegliedern genannt. Als Beispiel wird herangezogen, dass der Kläger Andersdenkende des Heidentums bezichtigt und seine Bereitschaft zur totalen Konfrontation auch dadurch gezeigt habe, dass er seinen Kollegen wegen dessen Einstellung zur Homosexualität als Irrlehrer und einen Zerstörer der Gemeinde Jesu Christi nicht mehr grüße. Hiergegen wendet sich der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen. Im Übrigen ist die vorinstanzliche Beweiswürdigung auch richtig. Der Kläger hat den Bezug zum Heidentum in dem entworfenen Artikel für einen Gemeindebrief ausdrücklich und in der Erklärung "zur Anhörung am 04.12.2003" konkludent hergestellt, in der es heißt, eine Kirche, in deren Mitte solche Texte (gemeint ist ein Beitrag des Pfarrers der zweiten Pfarrstelle der Kirchengemeinde zur Homosexualität) akzeptiert würden, während sie seine Aussagen ahnde, zeige, wie tief sie gesunken sei und dass sie Gottes Wort verlassen habe. Weitergehende Ermittlungen brauchte die Verwaltungskammer nicht anzustellen, sondern durfte es mit Beispielen für die eingetretene Störung des Gemeindefriedens bewenden lassen.
Die Verwaltungskammer hat die Überzeugung der Kirchenleitung gebilligt, dass von erneuten Bemühungen des Superintendenten, aber auch etwa von Abmahnungen und disziplinierenden Maßnahmen, keine Lösung der Probleme zu erwarten sei. Das ist nicht nur nicht zu beanstanden, weil der Kläger insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe ins Feld führt, sondern trifft auch in der Sache zu. Sowohl der Inhalt des Schreibens vom 28. Juni 2002, in dem der Kläger geäußert hat, von den Konfliktparteien sei nur er der Selbstherrlichkeit feind, als auch seine schriftliche Reaktion auf seine Anhörung am 4. Dezember 2003, in der er den Niedergang der Kirche beklagt und meint, nicht für ihn, sondern für die Gegenseite seien Lehrbeanstandungs- oder auch Disziplinarverfahren längst fällig, sind Belege für seine Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit. Der Kläger lässt sich von seinem Fanatismus durch nichts und niemanden (mehr) abbringen. Den Versuch eines Presbyteriumsmitglieds am 4. Dezember 2003, ihm durch die Frage, ob er in den zwei Jahren, in denen beide Seiten Zeit gehabt hätten, über ihre jeweiligen Standpunkte nachzudenken, seine Haltung noch einmal überdacht habe, eine Brücke zu bauen, hat er brüsk zurückgewiesen. Mit seiner Erklärung, er schäme sich für die in der Vergangenheit eingegangenen Kompromisse und sein Leben in falscher Anpassung, und mit seinen Tiraden gegen die Amtskirche im Allgemeinen und seinen Kollegen im Besonderen hat er einer Aussicht auf Versöhnung unmissverständlich und endgültig eine Absage erteilt.
Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, die die Abberufung für den ledigen, kinderlosen Kläger zeitigt, hat die Kirchenleitung mit dem ihnen gebührenden Gewicht in die Ermessensbetätigung einbezogen. Dass sie der Abberufung gleichwohl den Vorzug gegeben hat, erweist sich angesichts des Grades der Zerrüttung des Gemeindefriedens nicht als unverhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 3 VwGG.