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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 19.01.2022 |
Aktenzeichen: | VK 2/21 |
Rechtsgrundlage: | 46 Abs. 1 Satz 2 VwGG.EKD, § 8 Abs. 1 KBG.EKD, § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD, § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD, Art. 33 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Sätze 4 und 5 WRV |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Auswahl, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, Einstellungshöchstaltersgrenze, Einstweilige Anordnung, Konkurrentenstreit, Schutz individueller Rechte, Stellenbesetzung, Teilung von Versorgungslasten, Verzögerung des beruflichen Werdegangs, dienstliches Interesse, kirchliches Selbstbestimmungsrecht |
Leitsatz:
- Die kirchengesetzliche Bestimmung einer Höchstaltersgrenze von 40 Lebensjahren als Voraussetzung für die erstmalige Berufung in ein Kirchenbeamtenverhältnis hält sich im Rahmen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Sätze 4 und 5 WRV. Für sie gelten die verfassungsrechtlichen Grenzen aus Art. 33 GG und Art. 12 GG nicht.
- Im Kirchenrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Grundsätze Eignung, Befähigung und fachliche Leistung für die Auswahl unter Bewerberinnen und Bewerbern um ein Kirchenbeamtenverhältnis kein höherrangiges Recht, mit dem die Einstellungshöchstaltersgrenze vereinbar sein muss.
- Über eine Abweichung von den grundsätzlichen Vorgaben der Einstellungshöchstaltersgrenze „in besonders begründeten Fällen“ entscheidet der Dienstherr allein im kirchlichen Interesse, soweit zu beurteilen ist, ob ein erhebliches dienstliches Interesse an der Einstellung besteht. Dasselbe gilt für eine etwa bestehende Möglichkeit, im Interesse des kirchlichen Dienstherrn eine Vereinbarung über die Teilung zukünftiger Versorgungslasten mit dem abgebenden Dienstherrn abzuschließen.
- Gesichtspunkte für das Bestehen eines besonders begründeten Falles, die im Rahmen kirchlichen Ermessens zumindest auch im Interesse einer Bewerberin oder eines Bewerbers berücksichtigungsfähig wären, sind nur in Fallgestaltungen gegeben, in denen sich nachweislich der berufliche Werdegang aus von der betroffenen Person nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hat, welches die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
#Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Beförderung der Beigeladenen auf die zu besetzende Stelle der Leitung des Landeskirchlichen Archivs (Besoldungsgruppe A 15/Entgeltgruppe EG 15) und begehrt, die Stelle bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens freizuhalten, damit sie im Fall ihres Obsiegens noch die Stelle unter Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis übertragen bekommen kann.
Die im Jahr 1966 geborene Antragstellerin ist promovierte Diplom-Archivarin (FH). Vor ihrer Promotion hat sie an der Fernuniversität Hagen den Magisterabschluss im Hauptfach Geschichte mit den Nebenfächern Politikwissenschaft und Neuere deutsche Literaturwissenschaft erworben. Als Kommunalbeamtin ist sie seit 2012 Leiterin des Stadtarchivs E. und führt seit 2018 die Amtsbezeichnung Archivrätin. Sie bewarb sich im Mai 2021 auf die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene, zum 1.9.2021 zu besetzende Stelle der Leitung des Landeskirchlichen Archivs der Antragsgegnerin. Unter den Mitbewerberinnen und -bewerbern um die ausgeschriebene Leitungsstelle ist auch die Beigeladene, gleichfalls Diplom-Archivarin (FH). Sie ist seit 1992 im Landeskirchlichen Archiv der Antragsgegnerin tätig und seit 2016 dessen stellvertretende Leiterin.
Von insgesamt zehn Bewerberinnen und Bewerbern wurden nach einer Vorauswahl auf der ersten Stufe des Auswahlprozesses drei Bewerberinnen und ein Bewerber zu Vorstellungsgesprächen am 28.6.2021 vor einem Vorauswahlgremium der Antragsgegnerin eingeladen. Anlässlich dieses Gesprächs machte die Antragstellerin deutlich, für sie komme nur ein Beamtenverhältnis in Frage. Für die Teilnahme an einem Fachgespräch am 19.8.2021 im Rahmen einer zweiten Stufe des Auswahlprozesses wurden die Antragstellerin und die Beigeladene ausgewählt. Nach Präsentation der von beiden Bewerberinnen vorbereiteten Aufgaben war sich das Vorauswahlgremium einig, die Antragstellerin bei der Stellenbesetzung nicht zu berücksichtigen und der Kirchenleitung die Ernennung der Beigeladenen für die Leitung des Landeskirchlichen Archivs vorzuschlagen.
Nach Beteiligung der Mitarbeitervertretung bedankte sich die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin mit E-Mail vom 27.8.2021 für ihre Bewerbung und Teilnahme an den beiden Auswahlgesprächen sowie ihre Ausarbeitungen zum zweiten Gespräch. Zugleich teilte sie mit, das Auswahlgremium habe entschieden, die Stelle für die Leitung des Landeskirchlichen Archivs anderweitig zu besetzen.
Am 9.9.2021 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Entscheidung, die Leitungsstelle anderweitig zu vergeben.
Mit ihrem gleichzeitig bei der Verwaltungskammer gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht sie geltend, die Auswahlentscheidung sei ermessensfehlerhaft und eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten sei nicht ausgeschlossen. Die Beigeladene verfüge zwar ebenso wie die Antragstellerin über eine Fachausbildung für den gehobenen Archivdienst und Berufserfahrung, aber keineswegs über die geforderte Leitungserfahrung. Auch sei der Magister- und Promotionsabschluss der Antragstellerin nicht berücksichtigt worden, obwohl in der Ausschreibung ausdrücklich ein wissenschaftlicher Hochschulabschluss gefordert worden sei. Zudem verfüge die Beigeladene über eine geringere wissenschaftliche Expertise als die Antragstellerin und habe weniger wissenschaftlich publiziert. Ihr sei die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung nicht möglich, weil in den ihr übermittelten Verwaltungsvorgängen der Besetzungsvermerk des Dienstherrn fehle. Schon deshalb sei die Auswahlentscheidung rechtswidrig und verletze sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch. Für sie sei lediglich ersichtlich, dass sich eine, in welchem Verfahren auch immer zustande gekommene, Auswahlkommission für die Besetzung der Stelle durch die Beigeladene entschieden habe. An einer Entscheidung der Kirchenleitung fehle es. Selbst der Vermerk über die lediglich erfolgte unmaßgebliche Vorauswahl genüge nicht den an die Dokumentation zu stellenden rechtlichen Anforderungen.
Nicht nachvollziehbar sei für sie, dass ihrer Übernahme in das Kirchenbeamtenverhältnis, das für sie allein infrage komme, nunmehr die Altersgrenze nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD entgegenstehen solle. Auf die Frage der Antragstellerin im Bewerbungsgespräch am 28.6.2021 nach einer Überleitung vom Kommunaldienst in den kirchlichen Dienst habe sie die Antwort erhalten, für den Fall, dass man sich für sie entscheide, sei dies überhaupt kein Problem. Im Übrigen könne der Dienstherr nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD nach seinem Ermessen von der starren Altersgrenze abweichen, habe dieses Ermessen bisher aber nicht ausgeübt.
Die Antragstellerin beantragt, | |
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 46 VwGG.EKD bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Beförderung wenigstens eines Konkurrenten der Antragstellerin nach Besoldungsgruppe A 15 „Leitung des Landeskirchlichen Archivs“ durch Aushändigung der Ernennungsurkunde zu vollziehen und bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens für die Antragstellerin eine Beförderungsstelle nach Besoldungsgruppe A 15 „Leitung des Landeskirchlichen Archivs“ freizuhalten. | |
Die Antragsgegnerin beantragt, | |
den Antrag abzulehnen. |
Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung stehe bereits entgegen, dass die Antragstellerin nicht (mehr) in ein Kirchenbeamtenverhältnis berufen und ihr somit keine Beförderungsstelle übertragen werden könne. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD könne in das Kirchenbeamtenverhältnis nur berufen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Antragstellerin sei gegenwärtig allerdings schon 55 Jahre alt. In Betracht komme damit nur die Einstellung in ein privatrechtliches Angestelltenverhältnis, was allerdings offensichtlich nicht dem Begehren der Antragstellerin entspreche. Der Ausnahmetatbestand nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD sei nicht gegeben. Da kein „besonders begründeter Fall“ vorliege, was die Antragsgegnerin geprüft habe, könne von der Altersgrenze nicht abgewichen werden. Der Antragstellerin sei auch nicht signalisiert worden, ihre Übernahme in das Kirchenbeamtenverhältnis sei „überhaupt kein Problem“. Lediglich abstrakt und nicht bezogen auf die Antragstellerin sei die grundsätzliche Möglichkeit der Übernahme in ein Kirchenbeamtenverhältnis besprochen worden. Der Auswahlvermerk sei nicht zu beanstanden, auch wenn es wegen dieses kirchengerichtlichen Verfahrens noch keine Entscheidung der Kirchenleitung gebe. Insoweit sei die E-Mail-Benachrichtigung der Antragstellerin missverständlich. Rechtlich sei die Auswahl auch mit Blick auf den weiten Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene beantragt, | |
den Antrag abzulehnen. |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegten elektronischen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 VwGG.EKD sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf einen streitigen Gegenstand zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 65 VwGG.EKD i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO und § 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Die Antragstellerin hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anordnungsanspruch zusteht. Dabei kann letztlich auf sich beruhen, ob ihre Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin vorbereiteten Auswahl für eine noch ausstehende Entscheidung der Kirchenleitung gemessen an den Auswahlkriterien nach § 8 Abs. 1 KBG.EKD (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des kirchlichen Dienstes) berechtigt sind. Selbst bei einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte kann eine unterlegene Bewerberin nämlich nur dann eine erneute Entscheidung über ihre Bewerbung beanspruchen, wenn ihre Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt, wenn ihre Auswahl wenigstens möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.8.2016 – 2 BvR 1287/16 –, NVwZ 2017, 46 = juris, Rn. 70).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Antragstellerin nicht vor. Ihre Aussichten, von der Kirchenleitung ausgewählt zu werden, sind nicht zumindest „offen“. Ihre Auswahl für die umstrittene Leitungsstelle unter Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis ist nicht möglich, weil die kirchenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Bezogen auf eine rechtlich für besondere Fallgestaltungen vorgesehene Abweichung davon liegen keine nach dem Zweck der Ermessensermächtigung zu ihren Gunsten zu berücksichtigenden subjektiven Belange der Antragstellerin vor.
Die Antragstellerin erfüllt schon wegen ihres Lebensalters von 55 Jahren nicht die Voraussetzung für die Berufung in ein für sie erklärtermaßen allein in Frage kommendes Kirchbeamtenverhältnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD. Nach dieser kirchengesetzlichen Vorschrift darf in das Kirchenbeamtenverhältnis nur berufen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Von dieser nach Kirchenrecht maßgeblichen Einstellungshöchstaltersgrenze (dazu unten 1.) kann hier auch nicht im Einzelfall nach Ermessen ausnahmsweise aus Gründen abgewichen werden, die zumindest auch im Interesse der Antragstellerin zu beachten wären (dazu unten 2.).
1. § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD ist für die Bewerbung der Antragstellerin maßgeblich, weil sie noch nicht Kirchenbeamtin ist und selbst für sich eine Stellenbesetzung im Angestelltenverhältnis nicht anstrebt. Einstellungshöchstaltersgrenzen dienen im Beamtenrecht der Schaffung eines ausgewogenen zeitlichen Verhältnisses zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Alimentation von Beamten im Ruhestand nur rechtfertigt, wenn ihre Arbeitskraft dem Dienstherrn zuvor über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestanden hat. Die Einstellungshöchstaltersgrenze ist zwar nicht betriebswirtschaftlich oder unter Ansetzung eines wirtschaftlich berechneten Amortisationsinteresses festzusetzen. Sie kann jedoch eine wesentliche Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems darstellen und damit der Sicherung des Alimentations- und des Lebenszeitprinzips dienen. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Bestimmung von Altersgrenzen, die im staatlichen Beamtenrecht wegen der verfassungsrechtlichen Absicherung einer Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG durch Art. 33 Abs. 5 GG gezogen sind, weil Altersgrenzen grundsätzlich weder ein Eignungsmerkmal noch ein eignungsergänzendes Hilfskriterium darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2016 – 2 C 11.15 –, BVerwGE 156, 180 = juris, Rn. 18), gelten im Rahmen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Sätze 4 und 5 WRV für eine rechtliche Beurteilung nach § 8 KBG.EKD nicht. Zum einen ist Art. 33 GG auf die öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse der Kirchen weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. Begründung Kirchenbeamtengesetz der EKD vom 10.11.2005, S. 7, zu § 8, bezogen auf Art. 33 Abs. 2 GG; VGH EKD, Beschluss vom 2.7.2013 – 0135/1-2013 – bezogen auf Art. 33 Abs. 5 GG; siehe ferner VGH der UEK, Beschluss vom 5.5.1996 – VGH 6/95 –, bezogen auf die Festlegung des Ruhestandsalters). Zum anderen sind die Auswahlgrundsätze Eignung, Befähigung und fachliche Leistung nach § 8 Abs. 1 KBG.EKD kein höherrangiges Recht, mit dem die Einstellungshöchstaltersgrenze nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 KBG.EKD vereinbar sein muss. Beide Regelungen stehen vielmehr im Geltungsrang nebeneinander. Aus der ranggleichen innerkirchlichen Regelung folgt, dass eine Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bezogen auf die Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis nur unter den Bewerbern gefordert ist, die gemessen an den Bestimmungen über die Einstellungshöchstaltersgrenze in das Kirchenbeamtenverhältnis berufen werden können.
2. Die Antragstellerin kann auch keine Ermessensentscheidung dazu verlangen, ausnahmsweise unter Abweichung von den grundsätzlichen Vorgaben der Einstellungshöchstaltersgrenze von 40 Jahren in das Kirchenbeamtenverhältnis berufen zu werden. Nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD kann von den Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4 in besonders begründeten Fällen abgewichen werden. Ein besonders begründeter Fall liegt nach Absatz 3 Satz 4 insbesondere vor, wenn das 40. Lebensjahr aufgrund Mutterschutz, Elternzeit oder Pflege von Angehörigen überschritten wurde.
Ausgehend von diesen Ausnahmevorschriften scheidet eine Abweichung von den grundsätzlichen Vorgaben der Einstellungshöchstaltersgrenze, über die die Antragsgegnerin nach ihrem Ermessen zumindest auch im Interesse der Antragstellerin zu entscheiden haben könnte, aus.
Die Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD ist denkbar weit, indem sie eine Abweichung „in besonders begründeten Fällen“ zulässt. Soweit zu besonders begründeten Fällen auch diejenigen zählen, in denen der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse an der Einstellung eines Bewerbers hat (vgl. so etwa § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO), wie dies nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KBG.EKD auch Voraussetzung für eine mögliche Befreiung von den Voraussetzungen nach Absatz 2 Nummer 1 und 3 ist und bis 2011 auch ausdrücklich bezogen auf die Einstellungshöchstaltersgrenze war, kann sich ein Bewerber, der die Einstellungshöchstaltersgrenze schon überschritten hat, hierauf nicht berufen. Derartige Belange bestehen allein im kirchlichen Interesse, dienen aber nicht zumindest auch dem Schutz individueller Rechte (vgl. zum staatlichen Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 11.10.2016 – 2 C 11.15 –, BVerwGE 156, 180 = juris, Rn. 26 ff.). Sie sind daher auch im Rahmen eines durch § 8 Abs. 3 Satz 3 KBG.EKD eingeräumten Ermessens nicht im Interesse des Bewerbers zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für eine etwa bestehende Möglichkeit, im Interesse des kirchlichen Dienstherrn eine Vereinbarung über die Teilung zukünftiger Versorgungslasten mit dem abgebenden Dienstherrn abzuschließen, eine Option, die ebenfalls, soweit sie besteht, nicht zumindest auch im Interesse des Bewerbers, sondern nur des kirchlichen Dienstherrn eröffnet ist. Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin auch keine Rechte daraus herleiten, dass ihr im ersten Bewerbungsgespräch erklärt worden sein soll, ihre Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis sei überhaupt kein Problem, falls man sich für sie entscheide. Denn selbst wenn eine solche Äußerung gefallen sein sollte, was die Antragsgegnerin in dieser Formulierung bestreitet, wäre damit schon nach der Darstellung der Antragstellerin der Sache nach nur eine Einstellungsmöglichkeit für den Fall angesprochen, dass die Antragsgegnerin ein dienstliches Interesse an der Einstellung annimmt. Dies hat die Antragsgegnerin nicht getan, ohne dass dies auf Antrag der Antragstellerin einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.
Gesichtspunkte für das Bestehen eines besonders begründeten Falls, die im Rahmen kirchlichen Ermessens zumindest auch im Interesse der Antragstellerin berücksichtigungsfähig wären, hat die Antragstellerin nicht benannt. Solche Gründe wären, wie die Regelbeispiele in § 8 Abs. 3 Satz 4 KBG.EKD deutlich machen, nur in Fallgestaltungen gegeben, in denen sich nachweislich der berufliche Werdegang aus von der Bewerberin nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hätte, welches die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe (vgl. so etwa im Landesbeamtenrecht § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW). Solche Verzögerungen des beruflichen Werdegangs hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 60 Abs. 1 und 5 VwGG.EKD. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und sich somit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
#Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten gemäß § 53 Abs. 1 VwGG.EKD die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland zu.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, soweit sie einen Antrag stellen, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder vergleichbarer juristischer Qualifikation vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung von Beschwerden und für sonstige Nebenverfahren, bei denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht (§ 53 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 1 VwGG.EKD). Gemäß § 14 Abs. 2 VwGG.EKD müssen Bevollmächtigte und Beistände Mitglied einer Kirche sein, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehört.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen, Altstädter Kirchplatz 5, 33602 Bielefeld, einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, eingeht (§ 54 VwGG.EKD).
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Der Verwaltungsgerichtshof prüft nur die dargelegten Gründe (§ 65 VwGG.EKD i. V. m. § 146 Abs. 4 VwGO).