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Kirchengericht: | Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer) |
Entscheidungsform: | Beschluss (nicht rechtskräftig) |
Datum: | 29.03.2011 |
Aktenzeichen: | 2 M 65/10 |
Rechtsgrundlage: | § 42 Buchstabe c MVG.EKD; Anlage 1 AVR-DW.EKD |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Eingruppierung, Hauswirtschaft, Pflege, Pflegehelfer/-in, Präsenzkraft |
Die zweitinstanzliche Entscheidung des Kirchengerichtshofs der EKD vom 29.10.2012 (Az.: II 124/T16-11) wird voraussichtlich online über den Link http://kirchenrecht-ekd.de/welcome/structuretype/urteil_MVG-Kirchengerichte aufrufbar sein. Weitere Auskünfte erteilt das Kirchenamt der EKD, Referat „Kirchliche Gerichtsbarkeit“ T.: 0511 2796-251 oder -259.
#Leitsatz:
Das Richtbeispiel „Präsenzkraft“ für die Entgeltgruppe 3 A der AVR.DW.EKD ist von seinem Inhalt her nicht eindeutig, weshalb je nach Zuschnitt der Tätigkeit auch eine höhere Eingruppierung in Betracht kommt.
Tenor:
Der Antrag der Dienststellenleitung wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Eingruppierung der als „Präsenzkraft“ tätigen Frau xxx.
Das YYY ist eine Einrichtung der Altenhilfe, die seit einigen Jahren nach dem sogenannten Hausgemeinschaftskonzept betrieben wird. Es bestehen 7 Hausgemeinschaften, in denen jeweils 11 bis 18 Bewohner und Bewohnerinnen leben.
Jeweils ¼ der Bewohner/innen hat die Pflegestufe 3 bzw. 2. Jede/r Bewohnerin /Bewohner hat innerhalb der Hausgemeinschaft ein eigenes Zimmer oder Appartement, das mit individuellen Möbeln und Gegenständen ausgestattet ist. Herzstück der Hausgemeinschaft ist die Wohnküche, in der sich im Wesentlichen das Gemeinschaftsleben abspielt. Ziel des Hausgemeinschaftskonzeptes ist es, den Tagesablauf der Bewohner/innen an die Normalität des gewohnten Alttags anzupassen. Die 35 Präsenzkräfte, die im Schichtdienst arbeiten, übernehmen dabei die Arbeit, die sonst von betreuenden Angehörigen übernommen wird. Sie geben Hilfe beim Anziehen, bereiten Mahlzeiten zu, reinigen die Wäsche und sind somit für die hauswirtschaftlichen und grundpflegerischen Belange der Bewohnerinnen und Bewohner zuständig. Auf die von der Dienststellenleitung eingereichten Stellenbeschreibungen wird im Übrigen Bezug genommen. Die anfallenden hauswirtschaftlichen Tätigkeiten führen die Präsenzkräfte möglichst unter Einbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner durch und fungieren somit als ständige Ansprechpartner. Die Mehrzahl der Präsenzkräfte hat keine fachspezifische Ausbildung. Sie sind häufig Hausfrauen, die nach der Familiengründungsphase eine zusätzliche Betätigung neben ihrer eigenen häuslichen Tätigkeit suchen.
Frau Xxx trat zum 01.05.1997 als Pflegehelferin in die Dienste des YYY. Ihre Eingruppierung erfolgte in die seinerzeitige Vergütungsgruppe KR 1 der AVR des Diakonischen Werkes der EKD. Frau Xxx hat berufsbegleitend einen Lehrgang über Grundlagen pflegerischen Handelns absolviert und darüber hinaus an Fortbildungsseminaren teilgenommen. Seit etwa 2005 wird sie im Rahmen des erwähnten Hausgemeinschaftskonzeptes bei der oben geschilderten Betreuung der Bewohner/innen eingesetzt.
Anlässlich des Inkrafttretens der Neufassung der AVR.EKD zum 01.07.2007 hat die Dienststellenleitung das Zustimmungsverfahren zur Eingruppierung der Präsenzkräfte eingeleitet. Die Mitarbeitervertretung bat im Falle von Frau Xxx fristgemäß um Erörterung und erklärte schließlich mit Schreiben vom 26.08.2008 die Erörterung für beendet. Um dem Eingruppierungsmitbestimmungsverfahren Fortgang zu geben, leitete die Mitarbeitervertretung von sich aus ein Schlichtungsverfahren ein, dass letztlich vom Kirchengerichtshof der EKD durch Beschluss vom 12. April 2010 (AZ. I-0124/R 48-09) für unzulässig befunden wurde. Nunmehr hat die Dienststellenleitung am 09.08.2010 das vorliegende Schlichtungsverfahren mit dem Ziel der Ersetzung der fehlenden Zustimmung zur Eingruppierung eingeleitet. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die Tätigkeit von Frau Xxx die Voraussetzungen des Untersatzes 2 zur Entgeltgruppe 3 der AVR erfüllt, nämlich sehr einfache Tätigkeiten in der Hauswirtschaft und zusätzlich einfache Tätigkeiten in der Grundpflege oder Betreuung. Die Tätigkeit einer „Präsenzkraft“ werde als Richtbeispiel ausdrücklich für diese Entgeltgruppe genannt. Damit seien die Merkmale der Vergütungsgruppe grundsätzlich als erfüllt anzusehen. Der Mitarbeitervertretung stehe daher ein Zustimmungsverweigerungsrecht nicht zu.
Die Dienststellenleitung beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau Xxx in die Entgeltgruppe EG 3 A.2 AVR-DW.EKD besteht.
Die Mitarbeitervertretung beantragt die Zurückweisung des Schlichtungsantrages.
Sie betont, dass sich an den vertraglichen Aufgaben als Pflegehelferin nichts geändert habe. Hinzugekommen seien dann noch die keineswegs als sehr einfach zu bezeichnenden hauswirtschaftlichen Aufgaben. Zutreffend sei daher die Eingruppierung nach Entgeltgruppe 4 A 1 AVR-DW.EKD.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und die mündlichen zu Protokoll genommenen Erklärungen Bezug genommen.
II.
1.) Das von der Dienststellenleitung eingeleitete Schlichtungsverfahren ist gem. § 60 Abs. 1 MVG.EKD zulässig. Die Beteiligten streiten im Rahmen des beschränkten Mitbestimmungsrechtes über die zutreffende Eingruppierung (§ 42 Buchstabe c, MVG.EKD). Zwar hat die Dienststellenleitung die Anrufungsfrist nach § 38 Abs. 4 MVG.EKD a.F. nicht eingehalten. Dies ist jedoch in den Fällen der Eingruppierungsstreitigkeiten unschädlich, wie der Kirchengerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert (vgl. Beschluss vom 22.06.2009, AZ: I-0124/P 89-08).
2.) Der Schlichtungsantrag der Dienststellenleitung war zurückzuweisen, weil die Mitarbeitervertretung zu Recht ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin Xxx in die Entgeltgruppe 3 AVR verweigert.
Maßgeblich ist hier die Alternative A 2 der Entgeltgruppe 3 der Anlage 1 AVRDW.EKD, in der von sehr einfachen Tätigkeiten in der Hauswirtschaft und zusätzlichen Tätigkeiten in der Grundpflege oder Betreuung die Rede ist. Diese Tätigkeitsmerkmale wären als erfüllt anzusehen, wenn Frau Xxx als „Präsenzkraft“ im Sinne des Richtbeispiels zur Entgeltgruppe 3 anzusehen wäre. Als solche wird sie von der Dienststelle bezeichnet, obwohl Frau Xxx die offizielle Stellenbeschreibung „Präsenzkraft“ nicht für sich als verbindlich durch Unterschrift anerkannt hat. Sie räumt dabei ein, dass sich ihre Tätigkeit nicht wesentlich von der der übrigen „Präsenzkräfte“ in der Einrichtung unterscheidet. Damit ist aber noch nicht festgelegt, dass sie tatsächlich als „Präsenzkraft“ im Sinne des Richtbeispiels zur Entgeltgruppe 3 anzusehen ist. Denn nach Auffassung der Schlichtungsstelle ist der in den AVR genannte Begriff „„Präsenzkraft““ nicht eindeutig. Das Aufgabenspektrum ist nach den Erfahrungen der Schlichtungsstelle in den verschiedenen Einrichtungen der Altenhilfe durchaus unterschiedlich, sodass die Arbeitsrechtlich Kommission bei der Formulierung des Richtbeispiels möglicherweise ein Tätigkeitsspektrum vor Augen hatte, welches nicht dem Aufgabenspektrum im Rahmen des Hausgemeinschaftskonzeptes entspricht. Denn die im YYY tätigen „Präsenzkräfte“ üben nach Auffassung der Schlichtungsstelle keineswegs sehr einfache Tätigkeiten in der Hauswirtschaft aus. Vielmehr ist ihnen das gesamte Spektrum einer normalen Haushaltstätigkeit und zusätzlich die Grundpflege und Betreuung von alten Menschen überantwortet. Insbesondere das tägliche Zubereiten von Mahlzeiten für mehrer alte Menschen, die teilweise auch ihre besonderen Vorstellungen und Diäteinschränkungen haben, kann nicht mehr als sehr einfache hauswirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden. Zwar mag es sein, dass das hauswirtschaftliche Aufgabenspektrum ohne eine spezifische Ausbildung und nach relativ kurzer Einweisung beherrscht werden kann. Dabei können die Präsenzkräfte aber in der Regel auf ihre langjährige Erfahrung bei der Versorgung ihrer eigenen Hauswirtschaft und Familie zurückgreifen, ohne dass es noch einer besonderen Schulung oder Ausbildung bedarf. Hinsichtlich der zusätzlichen pflegerischen Tätigkeit kann Frau Xxx auf ihre Kenntnis und Erfahrung sowie die zusätzlichen Schulungen als Pflegehelferin zurückgreifen. Insgesamt liegt daher das Niveau des Aufgabenspektrums einer „Präsenzkraft“ im Hausgemeinschaftskonzept über dem Niveau der Entgeltgruppe 3 AVR, weil es hier um Tätigkeiten geht, die Fertigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Entgeltgruppe 4 Obersatz A voraussetzen. Zwar ist es sicher so, dass gerade im Rahmen des hauswirtschaftlichen Tätigkeitsbereiches aus sehr einfache Aufgaben anfallen wie die Raum- und Pflanzenpflege und das Sortieren, Waschen, Bügeln, Zusammenlegen und Einsortieren der Wäsche. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass auch diese sehr einfachen Tätigkeiten nicht für sich stehen sondern nach Möglichkeit immer im Rahmen einer aktivierenden Betreuung mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zusammen absolviert werden sollen, was Einfühlungsvermögen und pädagogisches Geschick erfordert. Geprägegebend im Sinne von § 12 Abs. 2 AVR, sind daher nicht sehr einfache Routinetätigkeiten sondern eine Rundumbetreuung von alten und überwiegend hilfsbedürftigen Menschen, die Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt, die zwar nicht durch eine einschlägige einjährige Ausbildung im Sinne von Anmerkung 4 zum Entgeltgruppenplan erlangt werden, jedoch durch langjährige Tätigkeit und Erfahrung ein gleichwertiges Niveau haben.