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Kirchengericht: | Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 18.03.2010 |
Aktenzeichen: | DK 1/09 a |
Rechtsgrundlage: | §§ 25 Abs. 1, 33 Abs. 1 DG.EKD |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Sonderzahlung, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Alimentationsprinzip, Gleichheitsgrundsatz, Maßnahmengesetz |
Leitsatz:
- Die vorläufige Beurlaubung von der Dienstausübung während eines eingeleiteten Disziplinarverfahrens stellt allein eine verfahrensrechtliche Maßnahme ohne den Charakter einer Disziplinar - oder Dienstordnungsmaßnahme dar und ist ein selbstständiges Nebenverfahren des Disziplinarverfahrens.
- Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Beurlaubungsentscheidung von der Dienstausübung ist der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung.
- Die Entscheidung in der Sache über die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Beurlaubung von der Dienstausübung ist zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung nicht (mehr) möglich, wenn der zu Grunde liegende Sachverhalt in der Vergangenheit liegt und bereits abgeschlossen ist.
Tenor:
Die Beschwerde der Amtskraft gegen die Entscheidung des Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 über die vorläufige Beurlaubung für die Dauer des Disziplinarverfahrens wird zurückgewiesen.
Die Amtskraft trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Die am 16. April 1954 geborene Amtskraft ist Studienrat i. K. und unterrichtet die Fächer Mathematik, Physik und Informatik. Sie war zunächst an der XXX-schule in XXX seit 1. August 1997 beschäftigt. Dort wurde am 15. August 2008 für die Zeit von 2001 bis 2008 ein Leistungsbericht erstellt, den sie nicht unterzeichnete. Am 4. September 2008 gab der Fachberater für Physik und Mathematik aufgrund zweier Unterrichtsbesuche in diesen Fächern eine fachliche Stellungnahme zu den Unterrichtsstunden ab. Diese wurde in der dienstlichen Beurteilung des Landeskirchenamtes vom 20. Oktober 2008 berücksichtigt. Das Gesamturteil ergab, dass die Leistungen den Anforderungen nicht entsprechen. Die Amtskraft unterschrieb auch diese dienstliche Beurteilung nicht.
Mit Beginn des zweiten Halbjahres im Schuljahr 2008/2009 wurde die Amtskraft an die XXX-schule der Evangelischen Kirche von Westfalen abgeordnet. Sie unterrichtete an dieser Schule 26 Wochenstunden in den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Ausweislich des Schreibens der Rektorin dieser Schule vom 15. Mai 2009 soll es bereits nach einigen Wochen der Dienstzeit zwischen den Schülern der unterrichteten Klasse 8 b und der Amtskraft zu Schwierigkeiten im gemeinsamen Umgang gekommen sein. Nach den Osterferien 2009 erfolgte deswegen ein Unterrichtsbesuch der Rektorin in dieser Klasse. Sie besprach das Ergebnis des Unterrichtsbesuches und die Schwierigkeiten der Amtskraft mit den Schülern. Beide signalisierten den Versuch einer Lösung.
Am 7. Mai 2009 wandten sich Schüler der Klasse 8 b nach der 5. Stunde (Mathematik) an die Rektorin der Schule und berichteten erneut über erhebliche Spannungen zwischen der Amtskraft und den Schülern während des Unterrichts. Im Rahmen dieser Stunde habe die Amtskraft den Schüler XXX (im Folgenden: Schüler) des Klassenraumes verwiesen. Nachdem der Schüler den Klassenraum verlassen hatte, sei ihm die Amtskraft nachgefolgt und habe mit ihm zusammen zur Rektorin gehen wollen. Dabei habe sie den Schüler anfassen wollen, wogegen sich dieser gewandt habe. Während des Vorgangs habe die Amtskraft den Schüler an den Oberschenkel getreten, wobei sie selbst ausgerutscht und auf den Boden gefallen sei. Nachdem sie wieder aufgestanden war, habe sie dem Schüler zunächst gesagt, dass er dies verdient habe. Sie sei anschließend in den Klassenraum zurückgegangen. Dort habe sie der Klasse gesagt, sie habe dem Schüler einen Arschtritt gegeben. Sie habe sodann den Unterricht fortgesetzt. Ausweislich eines weiteren Vermerks vom 7. Mai 2009, der nach der Vorsprache der Schüler bei der Rektorin durch diese festgehalten worden war, habe die Amtskraft zugegeben, dass sie den Schüler am Oberschenkel getreten habe. Sie sei von ihm durch die Äußerung: " Du geiler Alter " oder so provoziert worden. Es sei ihr bewusst, dass ihre Reaktion nicht richtig gewesen sei. Sodann folgten ausweislich festgehaltener Vermerke am 8. Mai 2009 und 11. Mai 2009 weitere Gespräche mit der Mutter des Schülers sowie Schülern der Klasse 8 b. Außerdem erfolgte ein erneutes Gespräch zwischen der Amtskraft und der Rektorin sowie dem ersten Konrektor.
Nachdem die Schulleitung den Vorgang dem Landeskirchenamt mitgeteilt hatte, beschloss dieses am 26. Mai 2009, gegen die Amtskraft ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Außerdem wurde die Amtskraft nach § 33 Absatz 1 Disziplinargesetz der EKD (DG.EKD) vorläufig beurlaubt. Die einleitende Stelle teilte der Amtskraft sodann mit Schreiben vom 27. Mai 2009 - überschrieben "Disziplinarverfahren - Anhörung " - den Beschluss des Landeskirchenamtes im Wortlaut mit. Der Gegenstand des Disziplinarverfahrens - Tritt an den Oberschenkel sowie die Äußerung der Amtskraft gegenüber den Schülern, Gymnasiasten würden sich über sie totlachen - wurde dargestellt. Zur Begründung der Entscheidung über die Eröffnung des Disziplinarverfahrens führte die einleitende Stelle aus, dass das Landeskirchenamt eine Ermessensentscheidung getroffen habe. Ziel des Verfahrens sei es, den Sachverhalt aufzuklären und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um den Ruf der Lehrer dieser Schule zu wahren wie auch durch eine geeignete Disziplinarmaßnahme die Schüler zu schützen. Die Eröffnung des Disziplinarverfahrens sei erforderlich und auch verhältnismäßig. Die einleitende Stelle führte sodann weiter aus, dass die Amtskraft in Ausübung des Ermessens des Landeskirchenamtes beurlaubt wird. Sie wiederholte die vorhergehende Begründung und legte ferner dar, im Rahmen einer Gesamtabwägung, bei der auch der bisherige Werdegang der Amtskraft gesehen werde, ergibt sich, dass die Beurlaubung erforderlich und auch verhältnismäßig sei. Die Amtskraft wurde sodann auf ihre Rechte nach § 53 Absatz 1 DG.EKD hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben, im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Schließlich endet das Schreiben mit einer Rechtsmittelbelehrung, nach der die Amtskraft nach § 33 Absatz 4 DG.EKD gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen könne, die unbefristet ist.
In der Folgezeit meldete sich im Juni 2009 der von der Amtskraft mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragte Bevollmächtigte, der gleichzeitig Akteneinsicht beantragte. Nachdem ihm diese gewährt worden war, führte er im Schriftsatz vom 9. Juli 2009 aus, dass es zu dem Vorfall wegen beleidigender Äußerungen sowie eines beleidigenden und sexuell anzüglichen Verhaltens des Schülers ("Hose herunterlassen") sowie auch die beleidigenden Äußerungen anderer Schüler gekommen sei. Hierüber habe die Amtskraft die Schulleiterin noch am 11. Mai 2009 informiert. Der Sachverhalt sei durch Befragen der in Betracht kommenden Schüler zu klären, was bisher nicht geschehen sei. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass in der fraglichen Unterrichtsstunde von diversen Schülern Klebezettel mit beleidigenden Äußerungen getragen worden seien, die die Amtskraft eingesammelt und der Schulleitung übergeben habe. Ferner werde darauf hingewiesen, dass ihm - dem Bevollmächtigten - von der Amtskraft zur Wiederherstellung ihrer Ehre der Auftrag erteilt worden sei, gegen den Schüler Strafanzeige wegen Beleidigung und wegen aller sonstigen in Frage kommenden Straftatbestände zu erstatten. Der Bevollmächtigte drängte in der Folgezeit auf die Durchführung einer Beweisaufnahme, bei der mehrere Schüler zu vernehmen seien. Die einleitende Stelle setzte zwar einen Beweistermin am 26. November 2009 an, hob die Durchführung aber mit Schreiben vom 18. November 2009 auf, weil dem Landeskirchenamt bekannt geworden war, dass die Amtskraft gegen den Schüler, der als Zeuge geladen worden war, Strafanzeige erstattet habe. Es solle zunächst das Ergebnis des Strafverfahrens abgewartet werden. Der Bevollmächtigte war mit diesem Vorgehen nicht einverstanden und verlangte weiterhin die Durchführung einer Zeugenvernehmung.
Die einleitende Stelle forderte im Dezember 2009 die Akten der Staatsanwaltschaft betreffend die Anzeige gegen den Schüler an. Sie enthalten das Protokoll einer polizeilichen Vernehmung unter dem 17. September 2009. Ferner enthalten sie eine Einstellungsverfügung unter dem 25. September 2009, weil die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung der Schülers sieht. Auf Einwände des Bevollmächtigten leitete der Staatsanwalt die Akte an den Generalstaatsanwalt zur Entscheidung weiter, da er in den Einwänden eine Beschwerde gegen die Einstellungsentscheidung gesehen hat.
Die Amtskraft hat sodann mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 - beim Disziplinargericht eingegangen am 11. Dezember 2009 - Beschwerde gegen die Entscheidung des Landeskirchenamtes über die Beurlaubung vom 27. Mai 2009 eingelegt. Sie führt zur Begründung aus, die Schilderung des Sachverhalts sei teilweise falsch und unvollständig. Zudem könne eine vorläufige Beurlaubung nach § 33 Absatz 1 DG.EKD nur für sechs Monate ausgesprochen werden. Ein wichtiger Grund für eine weitere Beurlaubung liege weder vor, noch sei ein entsprechender Bescheid ergangen. Die ermittelnde Stelle habe außerdem den Sachverhalt nicht ausreichend und zügig sowie nicht sachgerecht und nicht gründlich ermittelt. Deshalb seien auch nicht die besonderen wichtigen Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigt worden - nämlich Provokationen, Beleidigungen bis hin zu sexuell motivierten Beleidigungshandlungen durch diverse Schüler und insbesondere den Schüler XXX. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die Vernehmung der Schüler durch die ermittelnde Stelle abgesetzt worden sei. Eine Vernehmung sei aber dringend erforderlich. Hieran ändere auch nichts, dass gegen den Schüler ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werde.
Die Amtskraft beantragt,
den Beschluss der Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 aufzuheben.
Das Landeskirchenamt beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, dass sich die Beschwerde gegen die Entscheidung vom 27. Mai 2009 prozessual erledigt habe, weil das Landeskirchenamt mit Anschreiben vom 23. Dezember 2009 die vorläufige Beurlaubung im Disziplinarverfahren bis zum 21. Juni 2010 verlängert habe. Hiergegen habe die Amtskraft am 13. Januar 2009 ebenfalls Beschwerde eingelegt. Die vorläufige Beurlaubung der Amtskraft sei durch den Sachverhalt, der dem Disziplinarverfahren zu Grunde liege - Tritt gegen den Oberschenkel und die Äußerungen "das hast du verdient" sowie "Gymnasiasten würden sich über euch totlachen" - gerechtfertigt. Die Amtskraft sei nicht erstmalig negativ in Erscheinung getreten. Es handele sich bei dem Vorfall vielmehr um eine weitere Eskalationsstufe des Verhaltens der Amtskraft. Die Verlängerung der vorläufigen Beurlaubung sei mit derselben Begründung erfolgt, wie in der Entscheidung vom 27. Mai 2009.
Das Landeskirchenamt hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 und Schreiben vom 23. Dezember 2009 - versehen mit der Rechtsmittelbelehrung nach § 33 Absatz 4 DG.EKD - die Amtskraft weiter bis zum 21. Juni 2010 vorläufig beurlaubt. Diese hat mit Schreiben vom 13. Januar 2010 - beim Disziplinargericht eingegangen am 14. Januar 2010 - Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass das Landeskirchenamt die vorläufige Beurlaubung zu Unrecht verlängert habe. Es habe den Sachverhalt im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht ausreichend gewürdigt und die schutzwürdigen Interessen von Schülern bzw. Lehrerschaft nicht ausreichend abgewogen. Im Rahmen der erforderlichen Aufklärung sei auch der Sozialarbeiter der Schule zum Vorfall vom 7. Mai 2009 zu hören, weil davon auszugehen sei, dass er bei schulischen und persönlichen Problemen der Schüler zur Verfügung stehe, so dass ihm der mögliche Problemkreis auf Grund der Berichte von Schülern bekannt sei. Das Beschwerdeverfahren wird beim Disziplinargericht unter dem Aktenzeichen DK 1/10 geführt.
Das Landeskirchenamt hat den Schüler am 20. Januar 2010 sowie die Schülerin XXX am 5. Februar 2010 als Zeugen zum Vorfall vom 7. Mai 2009 vernommen. Wegen der Einzelheiten wird jeweils auf die Protokolle vom gleichen Tage Bezug genommen.
II.
Die Kammer entscheidet durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Sie braucht das Ergebnis der inzwischen von der Beschwerdegegnerin weiter veranlassten und durchgeführten Ermittlungen im Disziplinarverfahren nicht abzuwarten, da die vorliegende Sache als Nebenverfahren des laufenden Disziplinarverfahrens (vgl. Schütz/Schmiemann, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 3. Auflage, Stand Juni 2003, Teil D: §§ 94/95 DO NW/Rn 7) entscheidungsreif ist.
Die erst mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009 eingelegte Beschwerde ist zwar fristgemäß eingelegt worden, da sie unbefristet ist (§ 33 Absatz 4 Satz 2 DG.EKD) Sie ist aber unbegründet, da die Amtskraft wegen der Entscheidung des Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 nicht (mehr) beschwert ist.
Obwohl sich das Schreiben des Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 in der Überschrift als „Anhörungsschreiben" bezeichnet und gemäß § 53 Absatz 1 DG.EKD die entsprechenden Belehrungen nach Darstellung der erhobenen Vorwürfe und der aus ihnen gezogenen Konsequenzen ausweist, beinhaltet es letztlich formgemäß auch die (Beschluss)entscheidung des Landeskirchenamtes. Es weist nämlich am Anfang den entsprechenden vorläufigen Beurlaubungsbeschluss vom 26. Mai 2009 im Wortlaut aus. Es begründet in einem eigenen Absatz im Teil zur Unterrichtung der Amtskraft über die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie seine sich hierzu ergebenden Anhörungsrechte nach § 53 Absatz 1 DG.EKD auch die Entscheidung über die vorläufige Beurlaubung. Die hierfür erforderliche Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Maßnahme die unbefristete Beschwerde gegeben ist, findet sich dann - allerdings missverständlich - am Ende des Schreibens als letzter Hinweis. Da die Anhörungsbelehrung nach § 53 Absatz 1 DG.EKD nicht beschwerdefähig ist, ergibt sich aber, dass sich diese Rechtsmittelbelehrung ausschließlich auf die Beurlaubungsentscheidung bezieht/beziehen soll. Der Amtskraft ist somit letztlich eine ordnungsgemäße anfechtbare Entscheidung letztlich mit dem Schreiben bekannt gegeben worden.
Sie ist aber mangels Vorliegens einer Beschwer aus dem Beurlaubungsbeschluss vom 27. Mai 2009 des Landeskirchenamtes nicht (mehr) begründet, so dass entsprechend dem allgemein geltenden Rechtsgrundsatz die Rechtfertigung fehlt, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Es ist weder unter zeitlichen Gesichtspunkten noch in wirtschaftlicher Hinsicht eine (noch) bestehende Beschwer aus diesem Beschluss festzustellen.
Die Entscheidung über eine vorläufige Beurlaubung stellt im Hinblick auf die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ausschließlich eine verfahrensrechtliche Maßnahme ohne den Charakter einer Disziplinar(Dienstordnungs)maßnahme dar und dient allein den Interessen des Dienstherrn zur Durchführung des Disziplinarverfahrens. Sie wird daher nicht als Disziplinarmaßnahme vom Katalog des § 25 Absatz 1 DG.EKD erfasst und hat somit keinen "pflichtmahnenden" Zweck. Sie dient vielmehr nur der Sicherung des Ermittlungszwecks und des Dienstbetriebs während des Disziplinarverfahrens (vgl. Schütz/Schmiemann, aaO, 3. Auflage, Stand Juni 2003, §§ 91,93 DO NW, Teil D, Rn 4; Schütz/Schmiemann, aaO, 4. Auflage, Stand Juli 2008, § 38 Rn 2; Begründung zum Entwurf eines Disziplinargesetzes der EKD vom 4. April 2008 zur inhaltlich entsprechenden Vorschrift in § 43 DG.EKD - neu).
Ausgehend vom Charakter einer verfahrensrechtlichen Maßnahme zur Sicherung verfahrensrechtlicher Ziele ist nicht erkennbar, dass die Amtskraft (noch) beschwert ist. Dabei ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung maßgebend. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt kann allein nicht überprüft werden. Sie kommt nur nach der Feststellung in Frage, dass eine zum Zeitpunkt der Entscheidung andauernde Maßnahme nicht gerechtfertigt ist (vgl. Schütz/Schmiemann, aaO, §§ 94/95 Rn 8).
Soweit die Amtskraft vor Erlass der Beurlaubungsentscheidung, die in seine Berufsausübung eingegriffen hat, nicht angehört worden ist, ist dieser Mangel geheilt. Es ist zwar ein allgemeiner Grundsatz (nunmehr für das Verwaltungsverfahren in § 15 VVZG.EKD auch geregelt), den Betroffenen vor dem Erlass einer in seine Stellung - hier Lehrtätigkeit - eingreifenden Maßnahme anzuhören. Aus dem Schreiben vom 27. Mai 2009 ist trotz der Darstellung zweier verschiedener Handlungsvorgänge - Unterrichtung über die Durchführung eines Disziplinarverfahrens mit der Belehrung über die bestehenden Anhörungsrechte sowie vorläufiger Beurlaubungsbeschluss - aber klar erkennbar gewesen, dass die Gründe, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, auch für die Entscheidung über die vorläufige Beurlaubung maßgebend gewesen sind. Da die Amtskraft im Rahmen der Anhörung zur Einleitung des Disziplinarverfahrens aufgefordert worden ist, Stellung zu nehmen, hat sie angesichts der zu Grunde liegenden Sachverhaltsgleichheit von Anfang an die Gelegenheit gehabt, alsbald im Rahmen einer - unter Umständen aus ihrer Sicht auch vorläufigen - Beschwerdeeinlegung oder auch mit einer einfachen formenlosen Stellungnahme zu dieser Entscheidung ihre Einwände selbst vorzutragen. Die Entscheidung des Landeskirchenamtes leidet mithin an keinem Anhörungsmangel.
Im zeitlichen Ablauf ist keine Beschwer (mehr) durch die angefochtene Entscheidung erkennbar. Es handelt sich nämlich um einen, in der Vergangenheit liegenden und abgeschlossenen Sachverhalt. Denn die Entscheidung, obwohl sie sich rechtswidriger Weise nicht nur auf sechs Monate Beurlaubungszeit beschränkt hat (§ 33 Absatz 1 Satz 1 DG.EKD), sondern die vorläufige Beurlaubung unbegrenzt ausgesprochen hat, seit Erlass der weiteren Entscheidung vom 23. Dezember 2009 - zugestellt am 29./30. Dezember 2009 - keine Auswirkungen mehr. Die neue Entscheidung spricht eigenständig eine Beurlaubungsbegrenzung bis 21. Juni 2010 aus, so dass sie insoweit spätestens mit ihrer Bekanntgabe am 29./30. Dezember 2009 die bisherige Entscheidung ersetzt und damit geändert hat. Von der angefochtenen Entscheidung vom 27. Mai 2009 geht somit keine unmittelbare Wirkung mehr zum Zeitpunkt der vorliegenden Gerichtsentscheidung aus. Dass die Amtskraft keinen Unterricht in dieser Zeit erteilen konnte, gehört der Vergangenheit an und ist daher auch nicht in tatsächlicher Hinsicht rückgängig zu machen. Da die Beurlaubungsmaßnahme im Übrigen zum Zeitpunkt der vorliegenden Gerichtsentscheidung auch ab Dezember 2009 weiter gerechtfertigt ist (vgl. weiteren Beschluss der Kammer vom heutigen Tage bezüglich der zweiten Entscheidung des Landeskirchenamtes [DK 1/10] zur vorläufigen Beurlaubung ), verbleibt es bei einer fehlenden Überprüfbarkeit wegen des abgeschlossenen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts (vgl. oben).
Die Amtskraft ist auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Maßnahme beschwert. Weder im Beschluss des Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 noch in demjenigen vom 23. Dezember 2009 ist eine Kürzung der Bezüge ausgesprochen worden. Die Amtskraft hat mithin seit Beginn der vorläufigen Beurlaubung ihre vollen Bezüge laufend erhalten und erhält sie weiter. Mangels einer Beeinträchtigung insoweit kommt somit nach Abschluss des Disziplinarverfahrens auch keine Nachzahlung für die Dauer der vorläufigen Beurlaubung in Betracht. Es fehlt mithin auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an einer Beschwer durch die vorläufige Beurlaubung aus Entscheidung vom 27. Mai 2009.
Die Amtskraft ist somit insgesamt gesehen durch die Entscheidung des Landeskirchenamtes vom 27. Mai 2009 zum Zeitpunkt der Kammerentscheidung nicht (mehr) belastet und beschwert, so dass die Rechtfertigung fehlt, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Beschwerde ist daher bereits allein aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kammer weist aber ergänzend darauf hin, dass - wie sich aus ihrem weiteren Beschluss im Verfahren den DK 1/10 ergibt - die Maßnahme der vorläufigen Beurlaubung auch der Sache nach gerechtfertigt (gewesen) ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 108 Absatz 1 und 2 DG.EKD.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.